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Der Schachspieler

Der Schachspieler

Titel: Der Schachspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey B. Burton
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Banning vermutete, dass es eine Gummimaske war, wie Kinder sie zu Halloween aufsetzten, doch beschwören hätte er es nicht können. Banning wusste jetzt, warum der Fremde ihn an seinen toten Großvater erinnert hatte. Es war das Gesicht eines alten Mannes, bleich wie der Tod, wirres weißes Haar an den Seiten, wächsern und aufgedunsen … und ganz und gar ohne jedes Mitleid.
    »Was wollen Sie von mir?«
    Die Gestalt verharrte in ihrer bedrohlichen Andachtshaltung, auf den Knien. »Ich bin hier, um alle Sünden wegzuwaschen, Albert Banning.«
    »Sünden?«
    »Die Herde ist bereits dezimiert, Albert Banning.« Die großväterliche Gestalt sprach leise, doch mit der grimmigen Entschlossenheit von Moses am Berg Sinai. »Und an diesem Ort ohne Geheimnisse, Albert Banning, werde ich Zeugnis ablegen.«
    »Bitte …« Bannings Stimme brach.
    »Vierteilen oder enthaupten, Albert Banning?«
    »Ich will nicht sterben.«
    »Lady Tilden hat den Hals gewählt, Albert Banning.«
    Großer Gott. Banning riss die Augen auf, seine Gedanken ein einziger Eisblock. Dieser Wahnsinnige hatte gerade Mira Tilden geköpft. Mira war eine der Damen am Empfangstisch, die jüngere, unverheiratete, die immer ein freundliches Lächeln für ihn hatte.
    Nachdem Albert Banning den Schock über Elaines Tod und dessen Umstände überwunden hatte, stellten sich die Sorgen ein: Er hatte sich gefragt, wie er vermeiden konnte, dass all die Projekte, an denen Kellervick gearbeitet hatte, jetzt auf seinem Schreibtisch landeten. Doch dann hatte er begonnen, die Arbeit clever an verschiedene Mitarbeiter zu delegieren. Und danach hatte sich ein Gefühl eingestellt, von dem er niemals einer Menschenseele etwas verraten würde: eine überwältigende Erleichterung.
    Diese Kellervick hatte ihn in letzter Zeit immer mehr genervt, hatte ihn ihre Verachtung spüren lassen und in den Sitzungen oft grimmig angestarrt. Seit seinem Interview mit dem Fidelity Investor war es unerträglich geworden. Diese verdammte Elaine Kellervick konnte sich einfach nicht mit ihm freuen, dass es ihm gelungen war, K&P Financials in einem positiven Licht erscheinen zu lassen. Sie hatte sich extrem zickig benommen wegen der Einschätzungen, die er in dem Gespräch abgegeben hatte. Sie war der Meinung, ihr Beitrag wäre nicht genug gewürdigt worden, und machte ihm ein schlechtes Gewissen, dabei hatte er nichts anderes getan, als die Fragen des Interviewers zu beantworten. Sicherlich hatte er auch auf Kellervicks Arbeit zurückgegriffen, doch es handelte sich im Wesentlichen um Erkenntnisse, auf die er bereits selbst gekommen war. Banning wollte eigentlich die Wortwahl ein bisschen abändern, doch der Redakteur hatte seine Deadline einzuhalten und drängte ihn, sich mit den Antworten zu beeilen.
    Er verstand gar nicht, wie es ihr Mann – wie hieß er noch gleich? Stewart? – mit diesem frigiden Miststück aushielt. Banning mochte Stewie Kellervick. Wenn die Angehörigen eingeladen waren, saßen sie auf Firmenveranstaltungen oft am gleichen Tisch. Er und Stewie alberten gern herum, und wenn Stew ihm auf den Rücken klopfte und seiner Frau zuwinkte, machte sie ein finsteres Gesicht.
    Der Tod der Frau war natürlich tragisch, das hatte Banning auch mehrfach gegenüber der Polizei und allen anderen zum Ausdruck gebracht, und für seinen Kumpel Stew tat es ihm wirklich leid, aber wenn er ganz ehrlich war, spürte er vor allem eine riesengroße Erleichterung, dass die alte Nervensäge tot war.
    Doch jetzt, an diesem Ort ohne Geheimnisse , glaubte dieser Wahnsinnige allen Ernstes, dass er mit Kellervicks Tod etwas zu tun hatte. Banning musste ihn unbedingt vom Gegenteil überzeugen.
    »Ich habe Elaine geliebt. Und Stew und ich sind gute Freunde.«
    »Wer ist dieser Stew?«, knurrte die Gestalt.
    Oh Gott , dachte Banning, während seine Blase ein weiteres Mal vor der schrecklichen Situation kapitulierte. Er hatte den Namen von Elaines Mann irgendwie verwechselt. Er hieß gar nicht Stew. Nein, Steve oder Scott, oder irgendein anderer blöder Name mit S.
    »Ihr Mann.« Banning schüttelte den Kopf und weinte. »Alle haben Elaine geliebt. Sie war mit Abstand meine beste Analystin, unglaublich gründlich. Ich konnte ihr jedes Projekt anvertrauen, ihre Marktanalysen waren immer treffend und zuverlässig.«
    Es sprudelte nur so aus Banning hervor. Solange er mit der Gestalt sprach, die da mitten in diesem Kerker kniete, blieb er am Leben.
    »Keiner von uns weiß, was passiert ist, Sir. Es muss ein

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