Der Schachspieler
ein Schwätzchen zu halten.«
»Da war eine Schachfigur im Aschenbecher.«
Cady hatte »Sundown Point Resort« auf seinem Display gelesen, als der Anruf kam, und war angenehm überrascht, von Terri Ingram zu hören. Noch mehr überraschte ihn, was sie ihm zu sagen hatte.
»Eine Schachfigur im Aschenbecher?«
»Lassen Sie mich erzählen, wie’s war, G-Man«, fuhr Terri hastig fort. »Nachdem ich Bret verlassen hatte, ließ er das Haus ziemlich verkommen. Dreckiges Geschirr in der Spüle, schmutzige Teppiche und Kleider und überall leere Wodkaflaschen. Der Staub lag so dick, dass Sie auf dem Boden Gedichte schreiben konnten, und das Badezimmer war voll mit Ungeziefer. Nach der Beerdigung hab ich eine Woche gebraucht, um das ganze Haus praktisch zu desinfizieren, ich hab jeden Tag vierzehn Stunden geschrubbt. Und wenn ich mal aufhörte zu wischen, fing ich an zu heulen.«
»Das ist normal, Terri. Sie haben getrauert.«
»Mir ging es nach seinem Tod sehr schlecht, aber ich wollte keine Medikamente nehmen, kein Valium oder sonst was gegen diesen quälenden Schmerz. Jedenfalls hab ich beim Saubermachen etwas gefunden, in einem Aschenbecher – es war der im hinteren Büro, direkt neben der Veranda, auf der wir uns unterhalten haben. Zwischen den Zigarettenkippen stand eine kleine Schachfigur im Aschenbecher.«
»Haben Sie sie noch?«
»Ich habe erst heute Morgen nachgesehen. Wissen Sie, ich habe die Figur vor drei Jahren in die Spielzeugkiste im Schulhaus geworfen. Erinnern Sie sich an das kleine Schulhaus?«
»Ja«, antwortete Cady. In dem Sperrholzhäuschen von der Größe eines kleinen Geräteschuppens konnten die kleineren Kinder Schule spielen.
»Dort steht eine Holzkiste mit Plastikspielzeug und Puppen und Spielen für die kleineren Kinder. Jedenfalls habe ich noch lange über unser Gespräch nachgedacht, da ist mir heute früh diese Schachfigur eingefallen. Und tatsächlich lag sie noch ganz unten in der Kiste, obwohl wir kein Schachspiel dazu haben und auch nie eins hatten, soweit ich weiß. Ich rief so laut ›Bingo!‹, dass mich die morgendlichen Angler ganz komisch anschauten.«
»Welche Schachfigur ist es denn, Terri?«, fragte Cady angespannt.
»Ich hab nie Schach gespielt, aber es ist eine der kleinen Figuren, die in einer Reihe vor den anderen stehen … ein Bauer«, fügte Terri Ingram hinzu. »Ein einzelner gläserner Bauer.«
»Hervorragende Arbeit, Terri. Ausgezeichnet. Hören Sie, rühren Sie ihn bitte nicht mehr an, und halten Sie auch die Kinder von der Spielkiste fern. Ich schicke gleich einen Agenten rüber …«
»Ich bin schon am Flughafen in Minneapolis, Drew. Ich komme mit dem nächsten Flieger nach D. C.«
»Das geht nicht, Terri«, erwiderte Cady. »Die Schachfigur ist Teil der Ermittlungen.«
»Keine Sorge, G-Man. Ich hab sie mit der Pinzette angefasst und in einen Beutel gesteckt – hey, ich schaue mir auch CSI an. Außerdem hat das Ding drei Jahre ganz unten in der schmutzigen Kiste gelegen, ich weiß nicht, ob Sie da noch was feststellen können. Ich bringe die Figur mit. Außerdem Kopien von Brets Kaufvertrag des Sundown Point Resorts und andere interessante Unterlagen. Wie’s aussieht, hatte er einen Gönner aus dem Osten, eine Firma namens SGL Group.«
»SGL Group?«
»Es ist ja nicht mein Job, aber ich würde tippen, dass SGL für Snow Goose Lake steht«, meinte Terri. »Außerdem habe ich vor, Dorsey Kelch zu besuchen, wenn ich schon in der Gegend bin.«
Cady war nicht gerade erfreut über die Wendung, die das Gespräch genommen hatte. »Davon würde ich abraten, Terri.«
»Ob Sie mir helfen oder nicht, Agent Cady«, erwiderte Terri Ingram beharrlich, »ich werde Dorsey Kelch einen Besuch abstatten.«
24
N achdem er die Kellervick-Dateien auf einen USB-Stick gespeichert hatte«, berichtete Agent Liz Preston, während sie Cadys Reaktion verfolgte, »entschuldigte er sich bei dem ziemlich geschockten Mr. Banning für ›die Unannehmlichkeiten‹ und stellte sich erneut als Special Agent Drew Cady vor. Er teilte dem Leiter des Investitionsgeschäfts von K&P mit, dass dies eine ›verschärfte Verhörtechnik‹ gewesen sei, die das FBI seit Kurzem anwende.«
Cady schüttelte den Kopf.
»Dann betäubte er Banning erneut und brachte den Mann zurück zu seinem Haus in Newton. Banning erwachte um drei Uhr nachts und hatte beinahe seinen vierten Herzinfarkt in vier Stunden, ehe er feststellte, dass er sich in einem Kofferraum befand und nicht in einem
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