Der Schachspieler
Einbruch gewesen sein, der tragisch eskaliert ist. Diese Stadt … Herrgott, es wird jedes Jahr schlimmer … wahrscheinlich hat Elaine ein paar Jungs aus Dorchester erwischt, wie sie ihren Fernseher klauen wollten oder irgendwas.«
Die Gestalt erhob sich langsam, stand wie der Sensenmann über ihm, und wiederholte seine Frage. »Vierteilen oder enthaupten, Albert Banning?«
»Ich habe nichts zu tun mit Elaines Tod. Ich hab mit der Polizei gesprochen. Mit dem FBI. Ich hab ihnen alles gesagt, was ich weiß, nämlich gar nichts. Als ich Elaine zum letzten Mal sah, hab ich ihr einen schönen Abend gewünscht. Wirklich, ich schwör’s. ›Einen schönen Abend, Elaine‹, hab ich zu ihr gesagt.« Banning weinte. Rotz und Tränen tränkten seinen weißen Schnäuzer. »Warum sollte ich Elaines Tod wollen? Das ist doch Unsinn. Ich musste ihre Projekte übernehmen, ihre ganzen Unterlagen und Dateien.«
»Dateien?« Die Grandpagestalt war mit drei schnellen Schritten bei Bannings Kleiderhaufen und Arbeitsutensilien. Mit seinem derben Stiefel schob der Fremde den Laptop über den Beton zu Banning. »Zeigen Sie mir die Dateien, Albert Banning.«
»Das sind vertrauliche Daten: Kalkulationen, Strategien, E-Mails«, stotterte Banning. »Solche Informationen von Kunden darf ich nicht weitergeben.«
Von der Motorsäge tropfte immer noch Blut, als der Fremde nach dem Anwerfseil griff. Er zog daran, und die Säge erwachte zum Leben.
»Nein! Gott, nein!« Albert Bannings Finger flogen über die Tastatur. Er betete, dass er sich in diesem grauen Verlies in das VPN – das Virtual Private Network – einloggen konnte. Banning tippte sein Passwort ein, bearbeitete die Tasten wie ein Meisterpianist sein Instrument. Er schnappte sich den SecurID Token, der von der Tastatur gerutscht war, und gab rasch den Zahlencode auf dem Display ein, der alle sechzig Sekunden wechselte. Mit einem erleichterten Stöhnen verfolgte er, wie der Laptop die Verbindung herstellte und sich sein persönlicher, streng vertraulicher Desktop öffnete. Albert Banning blickte langsam auf.
Die Grandpagestalt trat auf ihn zu, die dröhnende Kettensäge hoch über dem Kopf.
23
W ie geht’s Ihrer Hand, Cady?« Allan Sears’ volle Baritonstimme klang am Telefon genauso, wie er den Detective aus Cambridge in Erinnerung hatte: laut, klar und fordernd.
»Ich bin bei ungefähr fünfzig Prozent. Und ich glaube, es wird bald regnen«, sagte Cady. »Übrigens, Detective, ich hab mich noch gar nicht für die Karte und das Geschenk bedankt. Zum Glück stand ich so unter Morphium, dass ich nicht rot wurde, als die Schwester das Paket öffnete.«
Detective Sears lachte schallend, doch die Fröhlichkeit verschwand schnell wieder. »Hat die Schwester etwas gegen Penthouse ?«
»Damals konnte ich keinen Muskel bewegen, deshalb hat die arme Frau nur mitleidig gelacht und das Heft auf den Besuchertisch gelegt, wo es jeder sehen konnte.«
Sears lachte erneut.
»Ich hab die Schlagzeilen gelesen und an Sie gedacht, Cady. Ich dachte, Sie hätten das Bureau verlassen, nachdem … na, Sie wissen schon.«
»Ich bin nur für diesen einen Fall mit von der Partie.«
»Dann war es also doch nicht Dane Schaeffer?«
»Sieht nicht danach aus.«
»Das ist mir gleich irgendwie komisch vorgekommen. Typen wie dieser Chessman, die alles bis ins kleinste Detail planen, sind keine Selbstmörder. Sie bringen sich nicht einfach um, wenn sie ihr Ding durchgezogen haben. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Detective Pearl hat so ziemlich das Gleiche gesagt.«
»Pearl, der Inspector der Mordkommission aus D. C.?«
»Ja. Hat den Sanfield-Fall bearbeitet. Er ist heute im Ruhestand, lebt in Boca Raton. Ich hab mit ihm telefoniert, als er gerade seinen Gin Tonic schlürfte.«
»Der Typ ist mir sympathisch. Also, Cady, was hat Ihnen damals Ihr Gefühl gesagt?«
»Ich war mir nicht sicher. Es sprach einiges dafür, dass der Chessman wirklich abgetreten war wie Andrew Cunanan – wenn Sie sich an den erinnern –, dass er sich umgebracht hat, um den Konsequenzen zu entgehen. Außerdem gab es da eine gewisse Symmetrie: Schaeffer hat diese Sauforgien veranstaltet, er hat Marly eingeladen – er liebte Marly –, und nach seinen strengen Maßstäben war er genauso schuldig, also bringt er sich am Ende auch um. Sein eigener Richter und Henker.«
»Also, ich sehe die Dinge sonst ziemlich pragmatisch«, sagte Sears, »fragen Sie meine Frau. Aber es gibt da einen alten Brauch bei den Indianern:
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