Der Schacht
Südstaaten-Zuckerwatte. »Verehelicht. Und dann bekommt sie von Mammi und Daddy ihr Eigenheim in der Gegend, wo die guten Bürger wohnen, zwei zueinanderpassende Volvos und eine ganzjährige Hochzeitsreise, wohin auch immer es ihr einziges Herzenskind zieht.«
»Was machen ihre Eltern?« Jonathan fingerte an Bashs umgebautem Magic-8-Würfel herum.
»Computer. Tastaturhersteller. Die drittgrößten in Amerika.« Bash bekam langsam Probleme mit den härteren Konsonanten, und er machte den Versuch, das mit einem Schluck Quietly wegzuspülen, das er wie Mundwasser benutzte. »Jetzt könnte ein gewöhnlicher Sterblicher natürlich sagen: ›Mann Junge, du lässt dich kaufen.‹ Richtig?«
»Der Gedanke ist mir gekommen, ja.«
»Das lässt sich auch nicht leugnen. Die Invasion der Superarschgesichter. Aber sag doch mal ehrlich, Jonathan … Ich bin mittlerweile gottverdammte vierunddreißig verfickte Jahre alt. Und weißt du was? Ich glaube, ich könnte es gebrauchen, mal ein Jahr auszusteigen, und mir über nichts Gedanken machen zu müssen. Und ich glaube nicht, dass es irgendwas an einer Ehe gibt, dass sich nicht durch eine Scheidung wieder rückgängig machen lässt.«
Der 8-Würfel gab seinen Kommentar ab: Leck mich an meinem strammen Arsch.
Bash hörte sich düster und gedrückt an, auf der Suche nach fremder Billigung für seine alles andere als edlen Absichten. Jonathan fühlte sich klar im Kopf, Herr der Lage und über allem stehend – so wie er sich nach seinem ersten Schnief des weißen Nasendesserts gefühlt hatte –, aber sehr müde und sehr alt.
»Hey Kumpel, ich muss dazu nicht Ja oder Nein sagen. Ich meine, sieh dir doch nur mal an, wie verkorkst mein Leben ist …«
Bash unterbrach ihn, mit blitzenden Augen: »Fang nicht wieder mit diesem Scheiß über Amanda an. Ich bin dafür nicht aufgelegt, Kumpel.«
»Ich hatte nicht vor …«
»Du hattest. Verdammt noch mal, du hattest.« Er begann heftiger zu atmen, ein Bulle, der schnaubte und mit den Hufen über den Boden schabte, im Begriff, loszurennen und zu zermalmen und helle rote Wolken zu erzeugen. »Mann, warum gibst du nicht einfach zu, dass Amanda … all diese Schmerzen und der Mist, den du dir angetan hast … dass das …«
»Pssst, ganz ruhig, reg dich ab, okay?« Es war erschreckend, wenn man Bash in so einem Zustand sehen musste – ohne Power, ohne das übliche Flair, nicht mehr der große selbstbewusste Bash. Es war, als würde man Apollos Toga anheben und darunter einen erbsenschotengroßen Pimmel finden, der sogar kleiner war als der menschliche Durchschnitt.
»Hör mir zu. Vielleicht warst du es ja, Bash-man. Vielleicht hast du es hingekriegt, hast Camela geholfen, ein besserer Mensch zu werden, oder ihr geholfen, näher an das Idealbild heranzureichen, dass sie von sich selbst hatte. Das ist keine schlechte Sache. Gott – vielleicht hast du ja jemandem geholfen, was kann daran schlecht sein? Du hast mir verdammt noch mal öfter geholfen, als ich das verdient habe. Ich wäre vielleicht schon vor Jahren von irgendeiner Brücke gesprungen, wenn du nicht da gewesen wärst. Meine anderen sogenannten Freunde haben sich jedenfalls schon vor langer Zeit verkrümelt, zur Hölle mit ihnen. Du hast mir gesagt, du wärst für mich da – und Fakt ist, das du es wirklich warst. Und das sagen Freunde eigentlich nicht ihren Freunden. Das erzählen sie jedem anderen, bei Beerdigungen, wenn es zu spät ist und keine Rolle mehr spielt.«
Jonathan wusste, dass er Unsinn redete, dass er Phrasen drosch, sinnlose Wortketten bildete. Aber sein Gelaber war soweit schlüssig, dass es der Situation die Spitze nahm, und verhinderte, dass Bash unter großen, dicken Tränen zusammenbrach. Wenn er jetzt zu weinen begann, dann, so befürchtete Jonathan, würden sie beide ihre Haltung verlieren.
»Aber ich bin jetzt hier, weil ich dir etwas bedeutet habe, und deswegen bin ich jetzt auch da, um dir zu sagen, dass dein Leben dir gehört. Und wenn dich meine Meinung interessiert, so werde ich sie dir gern mitteilen, und wenn nicht, dann ist es auch gut. Ich stehe zu deiner Entscheidung, ganz egal, wie die ausfallen wird, weil ich dich liebe, Mann. Alles andere lässt sich regeln. Okay?«
Bash schluckte und nickte. Jonathan war sich nicht sicher, ob er gerade irgendwie geholfen hatte oder ob sich einer von ihnen jetzt besser fühlte. Der gefühlsduselige Moment verstrich, und zehn Minuten später lag Bash zusammengesunken in der Ecke des Sofas und schnarchte
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