Der Schacht
sanft vor sich hin.
Jonathan schürzte die Lippen. Es gab keinen Grund, mit seinen Knien oder seinen Händen zu reden. Er konnte sich hier keinen runterholen. Und das Geschirr war auch schon abgewaschen. Sogar ordentlich.
Er ging auf Zehenspitzen zur Tür und nahm ein Taxi zurück ins Kenilworth.
18.
Tief in der Nacht in Oakwood.
Edgar Ransome hörte, wie sich die Schneeketten des Taxis durch den Matsch mahlten. Als die Wagentür zuknallte, zog er die Gardinen einen Spalt weit zurück, um einen Blick nach draußen zu werfen. Er war der inoffizielle Wächter des Kenilworth, und seine Wachsamkeit erlaubte es ihm, sich einen vergänglichen Anschein von Sicherheit vorzugaukeln. Er tat seinen Job, auch wenn niemand anders das vermuten würde. Seine Augen waren hervorragend: Er konnte einzelne Partikel des aufgewirbelten Staubes erkennen, die von der Decke zu Boden sanken, genau wie die weißen Linien verschorfter Haut an den Rändern seiner Fingerkuppen, mit denen er durch den Staub gefahren war. Er registrierte, dass es sich bei dem Taxipassagier um einen der neuen jungen Mieter von oben handelte, den, der gestern oder vorgestern eingezogen war.
Aus seiner Wohnung im Erdgeschoss hatte Edgar einen sehr guten Blick auf das nächtliche Kommen und Gehen im Haus. Da Fergus, dieser Witz von einem Hausmeister, nachlässig, desinteressiert und wahrscheinlich schon hirntot war, hatte Edgar sich seinen Status als Wachhund selbst zugewiesen. Er hatte so das Gefühl, dafür zu sorgen, dass das Kenilworth nicht wirklich so weit herunterkam, wie es schon aussah.
Als er jünger gewesen war, hatte ihn so gut wie jeder Edder genannt – eine Abkürzung für Eddie R. Seine scharfen Augen und sein hammerharter rechter Arm nährten seine Fantasien, dass er es irgendwann mal als Baseballwerfer bei den großen Vereinen schaffen würde. Am liebsten bei den Cubs. Während des Zweiten Weltkriegs hatte er Ad-hoc-Turniere mit den anderen Jungs von der Air Force organisiert, wenn sie nicht gerade lautstark mitten in der Nacht aus den Betten geschmissen wurden, um Bomben auf Berlin zu werfen. Sein Fallschirmabsprung über heimischen Gewässern während des Krieges – er hatte sich von einer flügellahmen Liberator abgesetzt, die beschlossen hatte, Treibstoff und Hydrauliköl wie eine verschnupfte Nase zu verlieren – hatte ihm ein Purple Heart für eine kaputte Hüfte und die Mitgliedschaft im Caterpillar Club eingebracht. Seine Mitgliedsnadel hatte grüne Schmucksteine. Wenn man im Krieg über feindlichem Territorium absprang, dann bekam man eine Nadel mit roten Schmucksteinen und meist sogar eine Air Medal obendrein.
Das Fernsehprogramm war heute wieder der übliche Mist gewesen – geschlechtslose Gesundheitsfanatiker, die einen fürchterlichen Aufstand wegen Problemen machten, die nur pubertierende Schulkinder interessierten. Aber jetzt, The Equalizer, das war eine Serie, die Edgar gefiel. Es ging um einen Mann im fortgeschrittenen Alter, fast schon ein Großvater, der stark, sexy, ausdauernd und witzig war. Irgendwann mal, beschloss Edgar, könnte er sich einen Videoplayer kaufen, damit er nie eine Folge verpassen musste.
Mit 73 hatte Edgar zwei Ehefrauen überlebt. Das waren die beiden einzigen Frauen, mit denen er je die Nacht verbracht hatte. Mae Lynn war die erste gewesen, und er hatte nie wirklich aufgehört, sie zu lieben. Er war hin und weg gewesen, vom Blitz getroffen, seit sie sich als Teenager kennengelernt hatten. Sie blieb zu Hause, als er in den Krieg musste, und wartete auf ihn, als er von den europäischen Schlachtfeldern zurückkehrte. Sie war an einer Reihe schwerer Herzanfälle gestorben; einen Tag vor dem Erntedankfest 1965 hatte er sie unter die Erde gebracht.
Neun Monate später hatte er Glenda geheiratet. Er hatte eine andere Person im Haus gebraucht, jemand, mit dem er beim Frühstück reden konnte, jemand, für den er Besorgungen erledigen und den er umsorgen konnte. Das hatte nichts damit zu tun gehabt, dass er Mae Lynns Andenken nicht hochhielt.
Die Verbindung mit Glenda brauchte ungefähr ein Jahrzehnt, um in die Brüche zu gehen und als sie dann an Gebärmutterkrebs erkrankte, sprachen sie vor ihrem Tod vielleicht noch einmal im Jahr miteinander.
Seitdem war Edgar zu einer Art Leichenbitter geworden, der zusah, wie seine Freunde wegstarben. Seine Feinde starben ebenfalls. Er machte es sich zu eigen, sich auf keine Beziehung einzulassen. Emotionelle Bindungen brachten nur Kummer, wenn der Tod kam, um
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