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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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ist.«
    »Die ist in die Katzenhölle gefahren.«
    Er löste Fetzen von Abklebeband ab und ging mit einem Radiergummi noch einmal über die Arbeit, um ein paar verirrte Fingerabdrücke zu beseitigen. Er zog es vor, mit der Hintergrundbeleuchtung des Zeichentischs zu arbeiten, um zu sehen, wo seine Collagen noch Schattierungen hatten – dunkel, dunkler, am dunkelsten –, und nicht nur auf die Längs- und Quermarkierungen der Ränder zu achten. Wenn wie jetzt kein Arbeitsblatt auf dem Tisch lag, blendete das Licht. Er nahm das nächste Blatt von seinem Stapel und klemmte es fest.
    »Glaubst du, dass Capra eine von diesen großen Lampen in der Garage für einen oder zwei Tage vermissen würde?«
    »Willst du heute Nacht den Schacht erkunden, Kumpel?«
    Jonathan versuchte, seine trockenen Lippen zu befeuchten, aber er fühlte nur aufgesprungene Haut mit seiner Zunge, die genauso trocken war.
    »Verdammt. Ich würd ja mit dir kommen, aber …«
    »Camela?«
    »Das ist nicht so einfach. Wir sind in so etwas wie einer Verhandlungsphase.«
    »Was ist passiert?«
    »Sie hat das Einzige getan, mit dem ich bei meiner Wie-werdich-Camela-los-Kampagne nicht gerechnet hatte, Kleiner. Sie hat plötzlich damit begonnen, nett zu mir zu sein. Keine Nörgeleien, kein Gesichtspuder und keine falschen Augenbrauen mehr im Waschbecken.« Er dämpfte seine Stimme, wohl bewusst, dass sich das Objekt seiner Rede im gleichen Gebäude aufhielt. Wer konnte schon wissen, welche der Wände Ohren hatte? »Sie nimmt rapide ab. Noch eine Woche, und sie kann sich wieder in eines dieser Abendkleider zwängen, die mich zu Beginn der Sache so angetörnt haben. Sie will, dass du heute Abend zum Essen rüberkommst. Ich soll dir sagen, dass sie verspricht, keinen Streit anzufangen. Sie hat mir sogar eine Mütze geschenkt.« Er deutete mit dem Kopf auf die Garderobe, an der eine weiche senffarbene Zeitungsjungenkappe hing.
    »Vielleicht betrügt sie dich mit jemandem«, sagte Jonathan. »Und dir kauft sie Geschenke, um ihr Gewissen zu beruhigen.«
    Sein stattlicher Freund lachte begütigend. »Oder vielleicht leidet sie auch ganz plötzlich an Persönlichkeitsspaltung, und zurzeit habe ich gerade mit der netten Cammy zu tun. Und bald wird sich wieder die böse Cammy in einer Schwefel-Wolke manifestieren. Ich weiß nicht, welche der Persönlichkeiten gestern Nacht mit mir gevögelt hat, aber ich will dir ein pikantes Detail anvertrauen, nur eines: Ich glaube, wir sollten mal beim Guiness-Buch der Rekorde oder bei Unglaubliche Tatsachen anrufen, sie hat getickt wie ein D-Zug. Ich bin kaum zum Schlafen gekommen.« Sein breites Ed-Norton-Grinsen verflog. Es gab da noch eine andere pikante Neuigkeit, mit der er noch nicht herausrücken wollte. »Noch ein Kaffee?«
    Mittlerweile wusste Jonathan, wie Bash Dinge handhabte. Erst ein voyeuristischer Blick auf sexuelle Einzelheiten, im Vertrauen, nur zwischen dir und mir, Kumpel. Hinter dieser vordergründigen Freimütigkeit verbarg er etwas anderes. Er ließ Jonathan wissen, dass er Sex hatte, um die schlechte Nachricht vor ihm verborgen zu halten. Es gab da etwas, dass Jonathan aus ihm herauskitzeln musste. Jonathan beschloss, das Thema ganz zu wechseln, und redete sich dabei ein, dass er damit Bash irgendeine Peinlichkeit ersparte.
    »Du kannst mir hier keinen Turbo zusammenbrauen, oder?« Ein Bier wäre vielleicht sogar besser, aber das konnte er sich auf der Arbeit nicht erlauben.
    Bash hatte die Kanne in der Hand und probierte aus, wie hoch er sie halten und immer noch den Becher mit einem dampfenden Strahl kolumbianischen Premiums treffen konnte. Als er ihm die Tasse herüberreichte, wie immer mit einer großartigen Geste, waren seine Manschetten kaffeefleckig, und sein Kaffee hatte eine Schaumkrone.
    Das Zeug war gut, stark und frisch gebrüht. Für Jonathan schmeckte es wie Pisse.
    Er ging in den Waschraum und sah sich die Ringe unter seinen Augen an. Sie waren deutlich ausgeprägt und forderten ein paar Stunden vernünftigen Schlaf. Er zögerte, biss sich auf die Lippe und zog dann einen Kokainstrohhalm aus seiner Hemdtasche. Er hatte ihn geknickt, damit er nicht auffiel, und das Papier im Knick war geplatzt und hatte ein oder zwei Linien in den Nähten seines Hemdes verstreut. Das war ihm egal. Er klopfte sich eine Prise auf den Handrücken und fühlte sich wie Dr. Jekyll, der im Begriff war, seinen verfluchten Trank zu nehmen. Stevenson hatte Jekyll und Hyde 1860 geschrieben, wahrscheinlich, als er sich

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