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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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waren, um sich an die Falten anzuschmiegen und sich mit ihnen nach innen zu biegen.
    Jamaica streckte ihre Hand aus.
    »Fass es nicht an!« Sie zuckte zurück, bevor er ihre Hand zur Seite schlagen konnte. Da er zeichnen musste, hatte Jonathan auch ein Stahllineal, das eine gemeine Angriffswaffe abgeben würde, wenn man es richtig einsetzte. Er stocherte damit an den äußeren Ecken des Schlitzes herum. Die zuckten und zogen sich zurück, was zu frischen kleinen Rissen in der Farbe und frischen roten Blutstropfen führte.
    Der rostfreie Stahl versank zwanzig Zentimeter tief in dem Spalt, bevor er ihn zurückzog. Er war jetzt rot.
    Sie überboten sich gegenseitig mit einer Auswahl biblischer und fäkaltechnischer Flüche. Das Loch blieb. Die Katze kam wieder zu ihnen zurück. Bei den Menschen war es wärmer. Sie streckte ihre dreieckige Stupsnase aus, um an dem blutigen Zeugs zu schnüffeln.
    Jonathan scheuchte sie wütend weg. Er hatte alles unter Kontrolle gehabt, bis diese eklige Angelegenheit dazwischengekommen war. Er musste jetzt etwas sagen, musste einen Kommentar zu dieser Anomalie abgeben, um sich selbst und auch Jamaica davon zu überzeugen, dass sie keine Halluzinationen erlagen.
    »Die Katze ist auch letzte Nacht schon blutverschmiert hier aufgetaucht. Das war genauso seltsam.« Er sagte das mit überschlagender Stimme, fast so, als ob er eine geheime Schuld eingestehe. »Ich konnte mir nicht vorstellen, wie sie in die Wohnung gekommen war. Die Türen waren zu. Bist du dir sicher, dass sie nicht hier drin war, als ich gegangen bin?«
    »Ich weiß es nicht.« Ihre Stimme war zu einem Flüstern herabgesunken. Sie löste das Handtuch um ihre Taille und suchte nach einer sauberen Stelle, mit der sie sich das Gesicht abwischte. »Ich … eigentlich hatte ich angenommen, sie hätte hier in irgendeiner Kiste geschlafen oder so.«
    »Das hatte ich auch angenommen. Aber was ist, wenn sie durch das hier hereingekommen ist?«
    Alle Augen richteten sich auf den blutenden Spalt in der Wand. Natürlich war das nicht wirklich. Das konnte nicht sein. Niemals.
    Jamaicas Logik konnte das nicht akzeptieren. »Nein, Jonathan, sieh es dir doch an – das ist blutig und feucht und eng. Keine Katze würde in etwas wie das hereinkriechen. Katzen sind eigen. Sie hassen es, zerzaust oder nass zu werden.«
    »Ja, aber was ist, wenn es am anderen Ende, da wo sie hereingeschlüpft ist, nicht so schmierig ist?«
    »Ich kapiere das einfach nicht!« Sie starrte wieder auf die Wand. Das konnte nicht sein.
    »Jamaica, das ist kein Geheimgang hinter einer verborgenen Tür. Du hast es vielleicht noch nicht bemerkt, aber das, was wir hier anstarren, ist eine Außenwand.«
    Er hatte recht. »Verdammt.«
    Jetzt, wo das grässliche Handtuch sie nicht länger so heftig malträtierte, fand die Katze den Mut, es mit einer Pfote anzustupsen. Dann fand sie es aber praktischer, sich zusammenzurollen und darauf einzudösen.
    »Kleines Mistviech. Ich wünschte, sie könnte reden.«
    Keine Chance, Partner – nicht so lange deine Freundin hier so nackt herumsteht.
    Er öffnete den protzigen Messinghebel des nächsten Fensterrahmens und öffnete das Fenster. Das morsche Holz des Rahmens ächzte, und uralter Fensterkitt krümelte heraus. Die Kälte stürzte gierig herein. Schrotkugeln aus harschem Schnee schossen ins Zimmer und peitschen Jonathans Hände. Sie schmolzen bei der Berührung und hinterließen eiskaltes Wasser, das an seinen Handgelenken herunterlief, vorangetrieben von eisigen Windstößen.
    »Jonathan, verflucht noch mal!« Jamaica sprang zurück und schlang ihre Arme um sich, als litte sie unter heftigen Krämpfen. Sie war immer noch unbekleidet und alles andere als glücklich, sich so den Elementen in all ihrer Ungemütlichkeit zu stellen.
    »Oh. Entschuldigung. Pass mal auf – wenn du immer noch willst, dass wir uns das kleine Päckchen von Cruz wiederholen, dann solltest du dir ein Sweatshirt überziehen und mir hierbei helfen. Wäre das möglich?«
    Sie wusste, dass sie unter Zeitdruck standen, und blieb besonnen. Sie entschied sich, keinen Aufstand zu machen, obwohl das Blitzen in ihren verführerischen grünen Augen ihm verriet, dass sie kurz davor stand. »Gut. Was habe ich zu tun?«
    Er lehnte sich aus dem Fenster. Der Sturm draußen war spektakulär. »Zuerst komm mal hier her und sieh dir das an.« Sein Haar war dick mit Schnee bedeckt.
    Sie sah, dass es kein blutiges Loch in zwei Stockwerken Höhe an der Außenseite des

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