Der Schacht
setzte nicht allzu viel Hoffnung darauf.
Weit weg, aber immer im Hintergrund vorhanden, war das Geräusch des Kenilworth. Sein Herzschlag. Der Geist. Was auch immer.
Jonathan späte in den hinteren Abschnitt des Korridors, wobei er um eine Ecke lugte, als erwarte er, dass man auf ihn schießen werde. Nichts.
Er zog die Rolle Klebeband aus der Tasche seines Parkas und klebte blitzschnell ein doppeltes Kreuz auf das Fenster von Fergus Büro. Dann blickte er noch einmal den Flur hinauf und hinunter. Immer noch nichts. Er rammte seinen Ellbogen scharf gegen das Fenster, genau in die Mitte des Doppel-X aus Klebeband. Das Glas zerbrach, und das Netz aus Klebeband fiel Jonathan fast geräuschlos in die Hände, mit festgeklebten Scherben bedeckt. Innerhalb von drei Sekunden war er in dem Büro.
Drei Minuten später war er wieder draußen.
Jonathan nahm sich die Zeit, den zusammengeklebten Klumpen mit Glassplittern in einen der Mülleimer zu werfen, die auf der anderen Seite der Waschküche am Westende des Hauses standen.
Jonathan probierte die geschlossenen Türen hier unten aus. Er hatte keine Zeit, sie alle aufzubrechen, in der Hoffnung, eine Klappe oder einen Zugang zu finden, der in den Luftschacht führte. Hier unten konnte man sogar seine Zeit damit verschwenden, versehentlich in den falschen Luftschacht einzubrechen. An die Türen zu klopfen und sich auf nachbarschaftliche Ruhestörungen einzulassen, war ihm nie als akzeptable Option erschienen, geschweige denn als intelligente Idee. Das hier war etwas, dass niemand sonst mitbekommen sollte. Außerdem – mit dem Abstieg konnte er Jamaica beeindrucken.
Seine Beute aus Fergus’ Rattenloch bestand aus zwei starken Elektrokabeln, je acht Meter lang mit festen Steckdosenanschlüssen alle zweieinhalb Meter. Beide waren mit stabiler leuchtend oranger Isolierung versehen, die dem Draht mehr Haltbarkeit verlieh und das Kabel anderthalb Zentimeter dick werden ließ. Es war das Stabilste und Sinnvollste, was sich aus dem Büro des Hausmeisters stehlen ließ.
Die beste Möglichkeit, um sie auszutesten, bestand darin, sie aus seinem Fenster abzurollen und sich einen Moment lang daran zu hängen. Auf die Art und Weise konnte er auch ausprobieren, ob man sie aneinanderbinden oder sie zusammenflechten sollte. Acht Meter, plus seine eigene Größe, das sollte eigentlich reichen, es sei denn, der Schacht wäre weit tiefer als der Keller, was ziemlich unwahrscheinlich war. Ein Teil der Länge würde für Knoten, Schlaufen und das Spiel über das Sims des Badezimmers draufgehen. Eines der Kabel würde sicher ausreichen, um sein Gewicht zu tragen.
Als er seine Wohnung wieder betrat, kam ihm eine Dampfwolke entgegen. Er registrierte, dass Jamaica sich ein heißes Bad eingelassen hatte. Er mochte diesen Rollentausch. Diesmal war er bekleidet, und sie würde in einem Handtuch vor ihm stehen …
Das, womit er nun wirklich nicht gerechnet hatte, war das Blut, das durch ihr Handtuch sickerte, als er grinsend das Badezimmer betrat.
Sie hatte Blut an den Händen.
Als sie ihm ihre Hände hinhielt, versuchte die Katze in ihrem Schoß zu fliehen. All dieses ungebührliche Abtasten und Untersuchen war nicht nach ihrem Geschmack.
»Jonathan, sie kam hier einfach bluttriefend in das Badezimmer hereinspaziert …«
Zumindest eines der Handtücher konnte er wegschmeißen. Jonathan hätte beinahe gefragt, ob das Blut echt war – wieder so eine kindische Frage, wie Jonathan sie immer wieder stellte. Blut in solchen Mengen sah einfach falsch aus. Eine halb volle Wanne mit heißen Wasser dampfte ungenutzt vor sich hin. Jamaica würde sie brauchen, sie hatte sogar Blutspritzer im Gesicht.
Es ist nicht meine Schuld. Ich bin unschuldig, glaub mir.
»Ist sie verletzt?«
»Ich habe nichts gefunden. Aber sieh dir das an.« Sie ließ die Katze los; wenigstens ihre Pfoten waren jetzt sauber. Sie und Jonathan folgten den klebrigen roten Spuren bis zu einer Stelle, die einen Meter von dem Heizkörper entfernt war.
Da war ein vertikaler Riss in der Wand in der Nähe des Fußbodens. Halb getrocknete Blutstropfen quollen daraus hervor.
»Heilige …«
»… Scheiße. Das habe ich mir auch gedacht.«
Es sah aus, als hätte ein nachlässiger Schlachter ein armdickes Loch mit einem stumpfen Fleischerbeil in eine Rinderhälfte geschlagen. Die Kanten des Schnittes waren nach innen geklappt. Die Farbschichten waren aufgeplatzt und enthüllten tiefer liegende Schichten, die immer noch flexibel genug
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