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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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Schmerzen erdrückt. »Ich kann es mir so richtig vorstellen, wie wir zur Polizeiwache herunterlaufen, um denen zu sagen, was hier wirklich passiert ist. Hey, Barnett, wir haben alles rausgekriegt, Mann!«
    Gemeinsam lachten sie gequält. Jonathan sammelte sein Kabel wieder ein, schloss das Fenster und ließ die Jalousien herunter. Danach war er klatschnass.
    »Cruz meinte, es wäre eine Art Geist hier im Gebäude. Er hat gesagt, er könnte ihn stöhnen und jammern hören. Ich habe nie auch nur das Geringste gehört.«
    Er beschloss, sie einzuweihen: »Als wir hier zusammen geschlafen haben, hatte ich den Eindruck, als gäbe es eine Luftströmung oder eine Vibration, etwas, das sich anhörte wie ein Herzschlag, aber nur, wenn man wirklich genau hinhörte. Eine bestimmte Kadenz, ein wiederkehrendes Muster.«
    Bumm-cha-cha-bumm-cha-cha.
    »Ich höre nichts.« Sie streckte ihre Hände dem Heizkörper entgegen und knetete die langen, eleganten Finger.
    »Nein. So einfach ist das nicht. Es ist nur ein ganz vages Geräusch, man kann es fast nicht hören. So eines, bei dem du dich fragst, ob es wirklich da ist, bei dem du dich fragst, ob du noch ganz normal tickst, wenn du allein bist.«
    Er begann damit, große, brezelförmige Kletterschleifen auf ungefähr jedem Meter in das Kabel zu flechten.
    »Du warst aber nicht allein. Du warst mit mir zusammen.« Sie wurde anschmiegsam. »Wir sind sogar ziemlich häufig zusammen allein gewesen.«
    »Ach. Ich glaube jetzt, dass ich nie einsamer gewesen bin, als in den letzten zwei Jahren, die ich mit Amanda zusammen war. Das war eine ziemliche Qual.«
    Er tauschte seine Reeboks mit Schneestiefeln. Capra hatte ihm das Geld vorgeschossen, um sich dem Klima angepasstes Schuhwerk zu kaufen, und Jonathan hatte ziemlich schnell ihre Nützlichkeit eingesehen. Sie waren mit Stahlkappen und Gummisohlen ausgestattet und wurden direkt über dem Unterschenkel zugeschnürt. Die Stahlkappen waren eigentlich nicht notwendig, aber er hatte noch nie solche Schuhe gehabt und fand es cool, in den gleichen Schuhen herumzulaufen, die auch Bergleute und Bauarbeiter trugen.
    »Aha. Und doch liebst du sie noch. Ich kenne diesen Ton.« Sie sah ihm bei der Arbeit zu. »Sie macht dich immer noch wahnsinnig.«
    »Ich glaube, ich habe das vorher schon mal gesagt, aber Subtilität scheint zurzeit nicht gerade meine Stärke zu sein. Ja, als ich sie verloren habe, war das, als sei ich auseinandergerissen worden.«
    »Da ist wirklich dein Herz gebrochen, was? Klingt nach Liebe.« Wenn sie grausam war, dann nicht aus Gemeinheit. Sie kannte sich nur aus und fühlte, dass er es ihr zugestehen würde, realistisch zu sein. Er war kein kleiner Junge mehr, und er sollte schon in der Lage sein, mit diesem Es-gehtniemandem-so-schlecht-wie-mir-Mist aufzuhören.
    »Wenn du Liebe so definierst, wie Bierce es tat«, sagte er. »Wenn man nicht viele neue Erfahrungen hat, dann beginnt man, Erinnerungen wieder aufzuwärmen, alte Gefühle wachzurufen, solange, bis sie durch den exzessiven Gebrauch schal werden und faulen. Irgendwann kommt man dann zu einem Punkt, an dem die alten Gefühle nicht mehr wiederzufinden sind.«
    »Du bist ein romantischer Trottel. Entweder das, oder du bist so gottverdammt besitzergreifend, dass du nie loslassen kannst. Beides ist gleich ungesund.«
    »Mein Freund Bash hat vorgeschlagen, dass ich mir eine neue Freundin suchen sollte. Er hat leicht reden.« Aber zurzeit hatte Bash seine eigenen Probleme. Camela hätte ihm diesen Verlobungsring auch gleich durch die Nase ziehen können.
    »Ich hätte das Gleiche vorgeschlagen. Lass das Weibsstück gehen. Wenn’s vorbei ist, ist es vorbei. Eine Menge Leute lernen solche grundlegenden Dinge wie das einfach nicht. Sie klammern sich an ihre Erinnerungen, weil ein paar von ihnen gut waren. Das ist so ähnlich, als ließe man einen faulen Apfel den ganzen Korb ruinieren. Mir fallen schon keine Klischees mehr ein. Das Weibsstück ist Vergangenheit. Vor dir liegt die Zukunft.«
    Na, das war ja ein toller Vorschlag. Lass sie gehen. Vor dir liegt die Zukunft. Leb dein Leben weiter, Trottel. Lass sie gehen. Amanda war ein Miststück.
    Und Jamaica – sie war eine Hure. Was wusste sie schon von Amanda? Nada.
    Statt Jamaica anzufauchen, irgendwelche rosigen, unangreifbaren Erinnerungen an Amanda zu verteidigen, versuchte er, eine Antwort auf das Gesagte zu finden. Die Strategie war neu, aber angenehm. »Äh … na ja, ich habe sie nicht gehen lassen. Gewissermaßen hat

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