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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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Vandalen ausgekippt worden.
    Als der Gestank über ihm zusammenschlug, verlor er seinen Halt auf der Fensterbank. Eine lange Liste von Unsäglichkeiten kam ihm in den Kopf. Er stieß hart mit dem Kinn gegen das Betonsims; er hatte plötzlich den Geschmack von Zahnschmelz und seinem eigenen Blut auf der Zunge. Aber keines seiner ausdrucksstarken Worte drang an die eisige Luft.
    Sein Fall wurde von starken Armen abgefangen.
    Stallis brauchte eine Sekunde, bis er das registrierte. Sein Kiefer fühlte sich an, als wäre er in einen Fleischerhaken gefallen, der ihm sofort bis ins Hirn gedrungen war. Er hatte bei dem Fall die Taschenlampe verloren. Seine Augen tränten, und die Tränen froren beim Kontakt mit dem eisigen Wind sofort fest.
    Als er seine Augen wieder aufzwängte, fühlte er, wie die Haut winzige Risse bekam. Bei dem Schmerz wurde ihm wieder schwarz vor Augen. Der Schmerz vorher hatte nicht diesen Effekt gehabt. Aus Reflex dachte er daran, die.357 zu ziehen. In einem anderen Winkel seines Hirns gab es einen Widerstreit, ob er wütend protestieren oder dankbar sein sollte, dass er so am Kragen gehalten wurde.
    Seine Zehen erhielten nie mehr die Gelegenheit, die kalte Eiskruste zu berühren, die den Bürgersteig bedeckte. Als er hochgezogen wurde, bekam er schließlich doch seine Augen auf und seine Gedanken unter Kontrolle. Der Gestank, der ihn so geschockt hatte, war der Gemetzelgeruch eines Schlachtfeldes. Diejenigen, die sich mit Leichen auskennen, wissen, dass es keinen Geruch gibt, der dem auch nur ähnlich ist, und wenn man ihn einmal gerochen hat, dann haftet er einem an, intim wie ein Liebhaber, bedrohlich wie die glitzernde Schneide von Mr Tods wartender Sense.
    Er stieß sich die Knie auf, während er nach oben gezogen wurde. Sein Becken prallte hart gegen die Wand. Sein Schädel fühlte sich an wie eine verschlossene Dose, in der ein Gummiball wild hin und her hüpft und überall ab- und aufprallt.
    Dann sah er das Gesicht der Person, die es wagte, so brutal mit einem Polizisten umzugehen.
    Es war keine Person. Es war kein Gesicht. Er tastete hastig mit der Hand nach dem Revolver.
    Stallis erblickte eine feuchte Fratze mit einer dicken Schicht aus Unrat und Blut bedeckt. Sie sah aus, als wäre ihre Haut abgezogen, oder als wäre sie völlig verbrannt. Nackte Sehnen hielten einen fünfundzwanzig Zentimeter langen Kiefer, in dem Hunderte von nadelspitzen Zähnen wild durcheinanderragten. In Stirnhöhe saß ein pulsierender Klumpen aus blumenkohlartiger Gehirnmasse, und darauf ein dünner Schopf blutiger weißer Haare. Die Arme, die ihn hielten, bestanden aus nackten Knochen, an denen Muskelknödel hingen – wie die Kleidung eines Penners, die von Klebeband zusammengehalten wurden.
    In dem trügerischen Licht des Schneesturms gab es keine Augen, die Stallis Blick erwiderten.
    Das konnte nicht sein. Dies war eine monströse Kreatur, eine widersinnige Konstruktion, die ihn mit einer Stärke hochhielt, die von der Struktur her einfach nicht sein konnte. Das war unmöglich.
    Das Ding trug eine blutige Krawatte, nur sehr locker geknüpft. Es hatte keinen Körper, keine Beine, nur feste Raupensegmente aus faserigem, blutendem Fleisch direkt bis zum Boden, bedeckt mit einem blutdurchtränkten T-Shirt, das genauso weit reichte. Der Knochengriff eines Klappmessers ragte wie ein Schornstein aus der rechten Schulter des Monsters.
    Stallis musste zu seinem Funkgerät gelangen. Dringend einen Code 34 losschicken – Officer braucht Hilfe. Er hatte seine Waffe immer noch nicht ganz gezogen. Wenn er jetzt hier in diesem Raum sterben würde, wäre das ein Code 10-19. Wenn er dieses Monstrum jetzt wegpustete, würde man ihn fragen: Wo war Ihr Kugelfang? Man durfte seine Waffe nicht abfeuern, bevor man sich nicht vergewissert hatte, dass man damit nicht auch das erwischen würde, was hinter dem Ziel stand, und damit vielleicht irgendeinen unschuldigen Passanten durchlöcherte.
    Scheiß auf all diesen Mist.
    Stallis riss die Magnum aus dem Halfter, entsicherte auf dem Weg nach oben, rammte sie in den Brustkorb dieser Kreatur, die ihn festhielt, und zog den Abzug durch. Die Waffe gab ein gedämpftes kuff! von sich und blieb bis zum Abzug in der amorphen Masse stecken, die die Brust des Monsters bildete. Sie steckte dort immer noch fest, auch nachdem Stallis’ Griff erschlaffte und seine Hand sich von ihr löste.
    Dong! Dong! Als die Schädeldecke von Stallis zum vierten Mal gegen die Betonwand knallte, war er völlig

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