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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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Zeichensetzung.
    Nachdem er seinen Sermon abgelassen hatte, nahm Marko den Telefonhörer ab und wählte eine Nummer. Es amüsierte Cruz, zuzusehen, wie jemand anders sich über Bauhaus telefonischen Hindernisparcours aufregte. Vielleicht war es auch nur morphiuminduziert – was auch immer die Damen in Weiß hier im Krankenhaus ihm verabreicht hatten, wirkte, denn die Schmerzen blieben im Hintergrund wie braune Schrift auf gelbem Papier –, aber Cruz fand es lächerlich einfach, sich Bauhaus’ Part an der folgenden Konversation vorzustellen.
    Marko, der Schläger, begann: »Äh, ich bin’s, Mister …«
    Und dann Bauhaus: Lass den Scheiß. Hat Cruz dir erzählt, wo dieser Jonathan wohnt?
    »Äh, nein, Sir, noch nicht. Ich …«
    Dann find es endlich raus, du Vollidiot, und beweg deinen Arsch da rüber und durchsuch den Laden, und damit meine ich nicht irgendwann, sondern gottverdammt noch mal jetzt.
    »Ja, Sir, werde ich tun. Aber …«
    Und find auch raus, wo diese Mietfotze Jamaica abgeblieben ist. Sorg dafür, dass Cruz dir das erzählt. Dreh ihm die Infusion ab oder verpass ihm eine Lasix …
    »Ja, Sir. Mach ich sofort.«
    Marko hängte auf und hielt inne, um die Wut hochkochen zu lassen. Ein richtig ausgewachsener Wutanfall würde Cruz eine Heidenangst einjagen.
    Aber Cruz nahm ihm den Wind aus den Segeln: »Hey, habt ihr eigentlich diesen Typ – wie hieß er noch gleich, Jonathan? – habt ihr den unter die Lupe genommen? Ich kann mich nicht an seinen Nachnamen erinnern. Aber Bauhaus hat ihn auch kennengelernt. Er hat es dir sicher erzählt.«
    »Häh? Nein. Ich meine, ja, natürlich hat er es gesagt.«
    Cruz gab sich wirklich Mühe, Marko vorauszubleiben, so zu tun, als habe er gerade eine brillante Idee gehabt. »Dieser Jonathan lebt im gleichen Haus, Mann, wie konntest du das nur übersehen? Appartement 323. Einfach den Flur hinunter, am Aufzug vorbei. Auf der anderen Seite des Gebäudes. Nimm den Eingang an der Garrison Street. Du kannst die Appartementnummern auf den Briefkästen unten sehen.«
    »Und was ist mit der Nutte? Bauhaus hat gesagt, sie war mit dir zusammen, als …«
    »Wie du siehst, liegt sie hier gerade mit mir im Bett und lutscht mir die Eier«, unterbrach ihn Cruz. »Woher, zum Teufel, soll ich das wissen? Sie treibts wahrscheinlich gerade mit jemandem. Das ist nun mal das, was diese Damen üblicherweise tun. Wenn ich du wäre, würde ich mir zuerst um diesen Jonathan Gedanken machen … Wenn du verstehst, was ich meine.«
    Marko bedachte ihn mit einem mörderischen Blick. Noch einen Augenblick, und er würde herausstürmen, um die Fehler bei seiner Durchsuchung zu korrigieren, sonst würde Bauhaus sein bestes Teil den Rottweilern zum Fraß vorwerfen.
    »Bete zu Gott, dass du recht hast!«
    Der Anblick Markos von hinten, auf dem Weg nach draußen, hatte auf Cruz die gleiche Wirkung wie ein doppelter Jack Daniels. Er fühlte sich plötzlich überraschend gut. Markos Grimasse hatte ihn an ein steinernes Maya-Götzenbild erinnert, das auf die Schnauze gefallen war.
    Einen Augenblick später hörte er die Klingel des Fahrstuhls. Es war ansonsten völlig ruhig auf der Station.
    Die Nachtschwester hatte eine Rolle Verbandmull auf dem Nachttisch liegen lassen. Cruz überflog seine Krankenkarte und stellte fest, dass in fünf Minutern jemand vorbeikommen sollte. Nachdem die Schwester ihre Pflicht getan hatte, klemmte er die Infusion ab und bandagierte seinen Arm. Er hatte keine neue Infusion gebraucht. Aber eine Spritze mitzunehmen war vielleicht eine gute Idee. Für später.
    Er fand seine Kleidung im Schrank.
     
    Victor Stallis hatte für das Wetter eine Flut seiner Lieblingsschimpfworte übrig. Seit Mitternacht hatte der Sturm aus den Funkfrequenzen ein reines Chaos gemacht.
    Schneeschauer wurden gnadenlos von gewaltigen Böen vor sich her getrieben, die ungebändigt vom Lake Michigan herüberwallten und den losen Schnee wieder vom Boden hochrissen und ihn tückisch vor jedes Objekt trieben, das dumm genug war, sich dem Sturm in den Weg zu stellen. Der Schnee war nadelspitz und schmerzhaft. Der Blizzard war hungrig und nahm gierig seine Nährstoffe aus der Psyche und dem Besitz aller Chicagoer, von den Junkies der Division Street genauso wie den Penthausbesitzern am Lakeshore Drive. Deren Nobelaussicht möchte ich heute Nacht nicht haben, dachte Stallis. Wenn man die Gardinen zur Seite schob, musste es aussehen wie ein unglaublich großer Fernseher voller Statik. Die Kosten, um das

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