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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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zerkratzte Glas zu ersetzen, waren wahrscheinlich höher als sein Jahresgehalt.
    Sein Wagen war dem Wind zugewandt. Den frontalen Anprall des Schnees vermochten seine Scheibenwischer nicht mehr zu bewältigen. Er wagte es nicht, mit mehr als 45 Stundenkilometern die Straßen entlangzurollen. Die Gegend, die er patrouillieren musste, erstreckte sich über ungefähr fünf Quadratkilometer. Der größte Nachteil hier war die Langeweile. Aber zumindest war es immer noch besser als die magengeschwürfreundliche Hektik in den Innenstadtbezirken.
    Victor Stallis war ein Polizist auf dem absteigenden Ast. Seit dem Tag, an dem Liz diesen dummen Zettel auf die dumme Kommode gelegt hatte, hatte er sich gehen lassen. Auf der Kommode, die ihre dämliche Mutter auf einer Antiquitätenbörse erstanden und ihnen zum vierten Hochzeitstag geschenkt hatte. Liz war nicht deshalb ein abgeschlossener Fall, weil er Polizist war, sondern weil seine und ihre Ideen sexuellen Fortschritts nach dem dritten Jahr ihrer Ehe deutlich auseinandergegangen waren. Er hatte begonnen, gewisse Dinge vorzuschlagen. Calisthenische Übungen. Gleitmittel und Spielzeuge. SM-Praktiken. Andere Öffnungen. Die Art von Liebesspiel, nach der man aussah, wie nach einem heftigen Verhör. Handschellen und Schlagstöcke.
    Stallis trat auf die Bremse und versuchte, sich den Schlaf aus den Augen zu reiben. Er hatte es sich bequem gemacht, sein Gürtel und seine Waffe lagen auf dem Beifahrersitz. Fünf von den einundzwanzig Mann der Polizeitruppe von Oakwood hatten sich heute mit Grippe krank gemeldet, die üblichen Ausfallquoten, wenn man zu viele Zusatzschichten bei diesem Wetter ableisten musste. Heute Nacht musste er seine Streife allein machen, und es war nichts zu erwarten als die üblichen Autounfälle und vielleicht der eine oder andere Ehestreit. Die Winterisolation ließ die Leute auf die seltsamsten Ideen kommen.
    Er dachte daran, der Nutte einen Besuch abzustatten, die auf der Wache nur Little Oral Angie hieß. Es war nicht viel zu tun, also die übliche Tour: Er meldete eine hilflose Person mit einer Platzwunde am Kopf, die im Krankenhaus abgeliefert werden musste. Dann ging er los und suchte sich diese hilflose Person. Annie hielt Hof in einer Bude nur zwei Ecken von der Notaufnahme von St. Judes entfernt. Normalerweise fand man einen verständnisvollen Pfleger oder eine Schwester, die sich um den Papierkram kümmerten. Und in der Zeit, die das dauerte, konnte ein Polizist mit einem guten Zeitgefühl oder einem Weckruf an seiner Armbanduhr mal eben einen Abstecher zu Little Oral Angie machen und sich den Torpedo putzen lassen.
    Aber Angie hütete gerade heute das Bett, aufgequollen und schlecht gelaunt, ihre Drüsen angeschwollen durch eine ansteckende Entzündung. Stallis verabschiedete sich hastig wieder und verfluchte den Schnee und das Wetter noch heftiger.
    Dem ausgewählten Penner besorgte er es ordentlich mit dem Schlagstock. Die Verletzungen waren überzeugend. Aber sein Trip in die Notaufnahme war jetzt eine völlige Zeitverschwendung, ganz abgesehen von dem Papierkram.
    Die eigene Einschätzung von Victor Stallis sexuellen Präferenzen war rational und großzügig. Die Polizisten waren bei der Ausübung ihrer Pflicht über Jahre hinweg so schrecklichen Szenen ausgesetzt, dass emotionale Schwielen einfach unausweichlich blieben. Das führte dazu, dass man mehr und mehr Stimulation für die grundlegendsten Bedürfnisse brauchte. Dass sein sexueller Appetit in Mitleidenschaft gezogen wurde, war ein Nebenprodukt dieser emotionalen Abstumpfung. Oder um es mit seinen eigenen Worten auszudrücken: Heutzutage musste der Kick schon größer sein, damit er zum Schuss kam. Liz hatte das nicht verstanden. Verdammt, sogar Little Oral Angie konnte diese Art von Psychologie begreifen, ohne dass man sie ihr Schritt für Schritt erklären musste. Stallis hatte ihr sogar Geld gegeben. Zwei Mal schon. Er versuchte, ein umgänglicher Kerl zu sein.
    Und jetzt saß er allein auf seiner Tour in seinem Streifenwagen und bekam einen Ständer, der wieder abebbte und dann wieder anschwoll, als er an das dachte, was er mit Angie, der armen Sau, verpasst hatte. Heute Nacht konnte er garantiert keine der Professionellen auf den eisverkrusteten Bürgersteigen von Oakwood aufreißen, und sein aufragender Kumpel hatte schlechte Karten.
    Das Radio klickte, raste durch die Kanäle, knackte dann und gab nur noch Störgeräusche von sich. Es war, als versuche man, sich Punkrock

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