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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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Berg aus Müll. Vielleicht konnte er auf dessen Spitze landen und musste dann nicht nass werden und in das stinkende Zeug eintauchen.
    In der Nähe schwamm die Plastiktasche von Cruz. In einer Ecke hatte sich eine große Luftblase gebildet und sich zu einem riesigen Plastiknippel aufgebauscht. Ein Holzsplitter wie von einem Bambusstock hatte sich durch die Tasche gespießt – die Spitze zeigte direkt auf Jonathans Arsch. Er konnte den Stock in dem zittrigen Licht kaum ausmachen; eine haarfeine Nadel aus nassem erdigen Zeug, mehr Mineral als Holz.
    Er schwenkte den Lichtkegel höher. Selbst aus diesem schlechten Winkel heraus konnte man das ganze Blut in 107 nicht übersehen. Blutspritzer hatten die weißen Wände gezeichnet, und eine große Lache streckte eine Zunge in Richtung auf das Sims aus. Die Fensterbank selbst war nass und karmesinrot, wie eine schlechter kirschfarbener Anstrich, und geronnene Klumpen klebten an den Fenstersplittern und dem Holz. Ein gerinnender Streifen von der doppelten Breite eines nassen Wischmopps, den man hinter sich herzog, markierte einen planlosen Weg des Todes durch und über die Kante der Badewanne, über die immer noch feuchten Fliesen und durch die weit offen stehende Tür hindurch. Fasern aus zerrissener Kleidung und Klumpen organischer Materie zerstörten die Reinheit, die abstrakte Ordnung des blutigen Spektakels.
    Aus der Wanne heraus grinste Jonathan ein Klappmesser an, zu einer L-Form zusammengebogen. Es sah aus, als sei es jemandem ins Herz gestoßen und dann mit beträchtlicher Kraft an seinen jetzigen Ort geworfen worden; Fäden klebrigen Rots verbanden es mit dem Porzellan.
    Jetzt erst roch er es, schlagartig. Ein Gestank, den man nur noch ausbrennen konnte, mit Stumpf und Stiel ausräuchern.
    Er überschlug blitzschnell seine Prioritäten: Er hatte es sich selbst zuzuschreiben, wenn er hingesehen hatte. Wenn er seinen eigenen Körper jetzt noch weiter belastete, indem er hier hing und die Szenerie anstarrte, dann hätte er in Kürze überhaupt keine Möglichkeiten mehr. Sobald er den Müllsack eingeholt hatte und Jamaica ihm sagen konnte, ob die Sachen noch zu gebrauchen waren, wollte er sich um alles kümmern, was ihm in den Kopf kam. Er hatte Jamaica vorher gesagt, dass, wenn das tote Velasquez-Blag hier unten herumschwamm, er das ignorieren würde, bis er Cruz’ Paket in Sicherheit gebracht hatte. Regel Nummer eins. Er sollte sich an seinen Plan halten.
    Er ließ sich weiter hinunter … und hoffte inständig, dass nichts eine Art Kopf aus dem Fenster stecken würde, um mal Hallo zu sagen.
    Es wurde schon bald viel übler.
    Bei dem Versuch, sich näher an den Berg Abfall heranzuschwingen, stürzte Jonathan ab. Sein Fuß traf auf die unebene Oberfläche und brach ein wie in Zuckerwatte. Er fiel Gesicht voran in den Schlamm, wobei sein Kopf nur um Zentimeter den spitzen Stock verfehlte. Die Lampe schwang wild herum, ging unter und kam wieder an die Oberfläche. Es sah aus wie ein Blitz. Er hatte gerade noch Zeit, den Mund und die Augen zu schließen, bevor der Müllberg zusammenbrach und ihn mit sich riss.
    Es war wie eine Hydrotherapie in kalter Kotze.
    Jonathan spürte, wie klammer Schmier in seine Kleidung eindrang, wie er nach Öffnungen suchte und diese auch fand. Das Zeug sickerte durch die Schichten seiner Kleidung und hatte eine Temperatur, die ungefähr der des Quietly-Biers in seinem Kühlschrank entsprach. Er traf auf dem Boden – es war nicht tief – und versuchte verzweifelt, wieder auf den Müllberg hinaufzuklettern. Die Masse in seinem Griff war gelatinös und gab nach. Er zappelte und spritzte um sich, blind in einem fast anderthalb Meter tiefen Schweinetrog aus Beton. Er dachte an Matsch in Teichen, schlammig und erstickend, der wie Treibsand wirkte. Der Müllberg erhob sich vor ihm in einem spitzen Winkel und war mit scharfen Kanten gespickt – Glas, Holzsplitter, Dachlatten, rostiger Draht. Er trat mit einem Stiefel zu, bis er Halt fand, und griff nach seiner Leine, nachdem er einmal Fuß gefasst hatte. Seine Finger, die jetzt mit einem öligen Brei überzogen waren, fanden eine der Kletterschlingen und griffen zu.
    Er zog sich hoch und schnappte nach Luft. Das war knapp gewesen.
    Es gelang ihm, Spannung in das Kabel zu bekommen, und er konnte sich bis zur Hüfte aus dem Zeug befreien. Seine Stiefel steckten immer noch in dem Schlamm des Müllberges. Auf keinen Fall konnte er jetzt wieder nach oben klettern. Er war jetzt glitschiger als ein

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