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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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floss wieder von dem Müllberg herunter, und zog sich in einer rollenden gezeitenartigen Bewegung wieder zurück, so wie sich das Wasser in einer Badewanne verlagert, wenn man in sie hineinsteigt.
    Irgendetwas Großes hatte gerade seine Position in dem Sumpf am anderen Ende des Teiches gewechselt. Das Wasser hob sich, um den Metallstreifen zu bedecken, und strömte dann wieder auf Jonathan zu.
    Sein Atem kam jetzt nur noch in wimmernden Stößen. Er konnte an nichts anderes mehr denken als daran, dass er hier unten gefangen war, sein Seil außer Reichweite, eingeschlossen mit etwas, das aus ihm einen Haufen von blutigen Knochen machen wollte. Mit etwas Großem.
    Sein Kokainschub erreichte den Umkehrpunkt. Das Eis, das seine Kehle verschlossen hatte, brach und taute weg.
    »Beeil dich! Mach schnell mit dem verdammten Seil, verflucht noch mal. Tempo!« In diesem Augenblick war es ihm scheißegal, wer ihn hören konnte oder was die Leute glauben mochten, was hier vorging.
    Irgendwo im Kenilworth, von jemandem, den Jonathan nie kennenlernen sollte, kam ein »Ruhe da unten!« als Antwort.
    Das schlingernde Ende des Verlängerungskabel glitt zu ihm herunter. Eine Sicherheitsleine von Gott persönlich. Jonathan rutschte weg und plantschte unbeholfen darauf zu.
    Als er sich die Augen wieder freirieb, blickte er auf einen kugelförmigen, augenlosen Kopf, der sich aus dem Wasser zwischen ihm und dem eisernen Durchgang hochreckte. Er hatte den Durchmesser eines Navy-Torpedos, und den hatte auch der dreieckige, kotfarbene Körper, der sich hinter ihm schlängelte und schmierige Wellen gegen die Wände des Schachtes peitschte. Schatten tanzten, als die Wogen versuchten, den Müllberg unter sich zu begraben.
    Zu viele Drogen, klapperten die Gedanken durch Jonathans überhitzten Verstand, so wie ein Skorpion sich in wilden Zuckungen selbst zu Tode stach, zw viele, zu viele Scheiß-Drogen, Jonathan!
    Er schrie in der nassen Dunkelheit um Hilfe, griff schließlich doch nach der untersten der brezelförmigen Kletterschleifen, stieß sich von dem Müllberg ab und prallte mit dem ganzen Körper gegen die gegenüberliegende Wand. Er wirbelte herum, als das nackte Gesicht den Kopf zum Zustoßen zurückzog und dann vorschoss, um ihn zu beißen.
    Zweimal. Heiße Schmerzen zogen von seinen Nieren zu seinen Lungen hoch.
    Er hielt das Seil mit einem mörderischen Griff und legte den schnellsten Aufstieg in der menschlichen Geschichte hin.
    Er verpasste dem Ding einen kräftigen Tritt auf die Schnauze. Es fiel in das schlammige Wasser zurück.
    Jonathan hatte in dem Schacht mehr Lärm gemacht als der Turm von Notre Dame, wenn die Glocken zur halben Stunde läuten. Seine Stiefel rutschten, aber er bewegte sich schnell, getrieben von dem rudimentärsten Instinkt, der der menschlichen Spezies bekannt ist. Innerhalb von Sekunden hatte er sich mit einem Arm über das Fensterbrett von 107 gezogen. Die Glasscherben dort schlitzten ihm die Finger auf. Das neue Blut vermischte sich mit dem alten. Er stöhnte auf, aber wen interessierte das schon. Es schmerzte, aber wer hatte gesagt, dass Schmerzen ihn bremsen konnten?
    Was ihm komisch vorkam … denn von der Hüfte ab war da gar nichts. Er spürte seine kletternden Beine nicht mehr. Er hing nur noch an der Leine.
    Eine angenehm schmerzfreie Taubheit erhob sich und überschattete die Signale. Er hing mit einem Arm an dem Sims und versuchte, diese neuen Daten zu verarbeiten. Alles, was er herausbrachte, war ein lang gezogenes huuuuuuh. Jetzt bin ich der Geist, dachte er. Der Geist, den Cruz gehört hatte, wie er in der Nacht stöhnte. Eine tintenschwarze Wolke der Schläfrigkeit legte sich sanft über ihn, bedeckte seine Augen und vernebelte sie.
    Die Birne der Lampe brannte mit einem Knacken durch.
    Weit über ihm, kilometerweit, sah eine Silhouette aus einen winzigen gelben Rechteck auf ihn herab und wedelte mit den Armen. Sie schrie nach jemandem namens Jonathan. Das baumelnde Ende der Verlängerungsschnur streichelte sein Gesicht. Er versuchte wieder zu schreien und gab nur ein schnurrendes Geräusch von sich.
    Entspannen. Sein Arm tat es.
    Jonathan sah das Licht über ihm wild herumwirbeln, als er fiel. Er wusste, dass sein Kopf auf seinem Weg nach unten an den Seiten des Schachtes anstieß, aber er fühlte keinen entsprechenden Aufprall oder Stoß. Der Schmerz war als Erstes vergangen. Dann der Schrecken. Er fühlte die Kühle des Wassers, als es sich über ihm schloss. Er gab nur ein paar Blasen

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