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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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von sich, denn er hatte schlicht vergessen, wie man atmet.
    Er hatte eine Erektion. Er dachte an Jamaica, wie sie sich mit ihm liebte. Auch das war auf eine vage Art gut gewesen, so wie das hier. Sein Schwanz drängte hart gegen seine Boxershorts, während sein Arm die Steigung des Müllbergs herabrutschte und unterging.
    Er versuchte, Amandas Namen auszusprechen. Er hätte gern mit seinen letzten Gedanken an Amanda gedacht, aber als die glatte, bewegliche Masse ihn umfasste, da konnte er sich nicht mehr daran erinnern, wie sie ausgesehen hatte.

22.
    Cruz fühlte bei jedem Schritt seine Knochen aufeinanderscha ben. Bei der Kälte waren seine Schmerzen fast das kleinere Übel, und die arktische Luft peitschte ihn wach. Der Nachteil dabei war, dass damit auch der Effekt der Schmerzmittel nachließ und seine kürzlich bezogenen Prügel wieder rachsüchtig zum Vorschein kamen und ihre Zähne zeigten.
    Eine ordentliche Schlinge aus Verbandmull und schimmernden Aluminiumschienen hielt seinen Arm in einer weichen weißen Mulde, die im Innern flauschig wie Babykleidung war. Sie hielt seinen kaputten Arm starr gegen seine Brust gepresst, und in Gedanken konzipierte er ein dazu farblich passendes Schulterhalfter. In dem Wandschrank in St. Judes hatte er seine Jacke auf einem Kleiderbügel gefunden. Ungefähr fünfzig Dollar in ramponierten Scheinen waren immer noch in der Brusttasche versteckt.
    Irgendwo auf dem Weg zwischen Knast und Krankenhaus war seine Hundemarke abhandengekommen. Wer immer sie geklaut hatte, er hatte mehr genommen als nur obskuren Goldschmuck. Ohne das Geschenk von Rosie fühlte sich Cruz entmannt und entwurzelt. Noch eine wichtige Verbindung zu Florida war ihm genommen. Teile seiner Identität bröckelten von ihm ab.
    Er erinnerte sich daran, dass er in der Duschkabine in Bauhaus’ Badezimmer ohnmächtig geworden war. Und als er dann wieder aufgewacht war, war er an ein Krankenhausbett gefesselt. Und Marko mit dem Spatzengehirn stand da. Cruz brauchte keine Uhr, um zu wissen, dass seine Zeit verdammt schnell ablief.
    Es war kein Problem gewesen, ein Taxi hinter dem St.-Judes-Krankenhaus zu finden. Aber um eines zu ergattern, dass einen bei diesem immer heftiger werdenden Sturm nach Oakwood hinausfuhr, das erforderte schon unverschämt hohe Bestechungsgelder.
    Bevor er sich aus seinem Krankenzimmer absentiert hatte, hatte er Jamaicas Nummer angerufen und ihren Anrufbeantworter an der Strippe gehabt. Er hatte keinen Schimmer, was er sagen konnte, ohne dass Bauhaus einen Hinweis auf seine Aktivitäten erhielt, und er vermutete, dass Jamaicas Anschluss heiß war. Er hatte gehofft, sie würde persönlich abnehmen … aber selbst dann, was sollte er sagen? Bauhaus hatte seine elektronischen Ohren überall. Angesichts von Markos besonderer Freude bei seinem Aufwachen beschloss Cruz, dass keine Nachricht auch eine gute Nachricht wäre und hängte wieder auf. Pech gehabt.
    Es blieb ihm nur noch, irgendwie diesen Jonathan zu erwischen und herauszufinden, was bei Bauhaus in der Bude abgegangen war. Jonathan konnte ihm wahrscheinlich auch etwas über die kurze und gründliche Durchsuchung sagen, die ein Stockwerk über ihm stattgefunden hatte.
    Cruz’ Arm sandte einen deutlichen Stich in sein Hirn und erinnerte ihn daran, dass jede Form von Bewegung zurzeit nicht angeraten war.
    Das Taxi quälte sich die Garrison hinauf und versuchte, sich der Macht des Sturmes entgegenzustellen. Der Neuschnee hatte für den Moment aufgehört. Windböen in Hurrikanstärke preschten landeinwärts. Die alten Schneedünen wurden zu neuen verkehrsbehindernden, fußgängereinkreisenden, zivilisationshemmenden Konfigurationen zusammengeschoben. Eine kriechende Stadt. Kriechend, weil sie unter der Last von Tonnen und Abertonnen von feinstem Weiß aus dem Himmel nicht gehen konnte – gebleichtes Wasser mit der Konsistenz von Krematoriumsasche.
    Cruz zitterte in dem ungenügenden Wärmeausstoß der Taxiheizung. Ihm war jetzt schon kalt, ihm tat alles weh, und wenn er erst einmal ausgestiegen war, dann würde er auch so gut wie pleite sein. Sie hielten neben einem Streifenwagen an, der in zweiter Reihe neben einem anderen Auto stand, das unter einer Aufschüttung dreckigen Schnees gestrandet war. Und zu allem Überfluss hatte er jetzt auch Angst. Cruz fühlte sein Herz so heftig klopfen, dass es ihm in der Kehle wehtat.
    Er fluchte ein paarmal vor sich hin und wies den Fahrer an, ihn um die Ecke abzusetzen, auf der Kentmore, außer

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