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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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Sichtweite des Streifenwagens.
    Trinkgeld? Fick dich ins Knie.
    Die Tür auf der Kentmore-Seite war verschlossen. Nachts sollten eigentlich alle Türen verschlossen sein, die Bewohner hatten ihre Schlüssel. Eigentlich standen aber immer alle Türen offen. Der Schnee hatte sich in einem Hügel vor der Treppe und der Tür aufgeschichtet. Und das nicht erst seit gerade eben. Die Tür konnte er vergessen.
    Cruz brauchte ein paar schmerzhafte Verrenkungen, um die in den Kragen seines Parkas eingelassene Kapuze herauszuziehen und sie sich über den Kopf zu stülpen. Er hoffte, dass der Schneesturm ihn unkenntlich machte. Als er um die Nordwestecke des Kenilworth linste, hoffte er, nicht zu sehr wie ein Spitzel auszusehen.
    Es sah so aus, als wäre der Polizeiwagen leer.
    Noch drei Schritte. Die Lichter des Armaturenbretts und die Innenbeleuchtung brannten noch. Aber keine Silhouetten einer Besatzung. Schlief der Polizist im Innern? Das war nicht gerade wahrscheinlich – nicht so, wie der Wagen geparkt war, nicht bei diesem Wetter. Also war er im Haus, hämmerte an die Türen und schnüffelte nach Drogen und bösen Jungs und abhandengekommenen Kindern.
    Cruz kam näher, ein weiterer verfrorener Nachtschwärmer in diesem frühmorgendlichen Schneesturm. Langsam gehen. Der neugierige Bürger. Sieh mal an, die Polizei. Dann muss ja alles in Ordnung sein …
    Der Wagen war leer. Der Schnee sammelte sich auf ihm und ebnete langsam die scharfe Trennlinie zwischen Dach und Windschutzscheibe ein. Das Fenster auf der Fahrerseite war heruntergekurbelt, und der hereingewehte Schnee taute langsam auf dem Fahrersitz. Die Heizung des Streifenwagens lief noch. Aber der Zündschlüssel war abgezogen.
    Die Tür zur Garrison Street stand fast einen halben Meter weit offen, und die Temperatur in der Eingangshalle lag nur knapp über null. Cruz bemerkte Gardinen, die wild aus einem kaputten Fenster im Erdgeschoss wehten. Noch eine verlassene Wohnung, dachte er. Die verpissen sich einfach, so mitten in der Nacht. Und dann lassen sie die Glühbirnen mitgehen und die Lichtschalter – sogar die, die Fergus mit seiner allgegenwärtigen Farbe überkleistert hatte. Licht aus. Keiner mehr da.
    Er konnte das Blut auf dem Fensterbrett nicht sehen. Es war bereits überfroren und mit Schnee bedeckt.
    Von der Garrison Street aus musste er die Treppen am Ende des Flurs benutzen.
    Wenn Fergus einfach mal den Fahrstuhl reparieren würde. Cruz hatte ihn noch nie in Funktion gesehen, nicht seit er hier wohnte. Das Absperrband quer über die Außentür war alt und brüchig: AUSSER BETRIEB. Vielleicht hatte Fergus den Fahrstuhlschacht so dick mit Farbe zugekleistert, dass die Kabine nicht mehr hoch- und runterfahren konnte. Vielleicht hatte er die Kabine auch einfach nur versetzt. Oder sie eingetauscht, gegen einige Kisten Formaldehyd-Aftershave.
    Cruz kam an einigen Reihen der unbenutzten Eisbox-Türen im Erdgeschoss entlang. Hier und da gab es auch andere Türen, einen Meter hoch und verriegelt, wie besondere Eingänge, die speziell für Zwerge gemacht waren.
    Da war eine Wand, in der Fergus die Tür versiegelt hatte. Türen, die ins nirgendwo führten, waren typisch für das Kenilworth.
    Halt, stopp. Da war der Fahrstuhl: die Außentür offen, die Innenbeleuchtung an – anscheinend funktionstüchtig. Cruz glaubte, ein leichtes Summen zu hören. Vielleicht waren die TÜV-Prüfer vorbeigekommen und hatten Fergus wegen sicherheitstechnischer Mängel die Hölle heißgemacht.
    Cruz war unsicher. Sein schmerzender Arm drängte ihn, den Fahrstuhl auszuprobieren. Als er hineintrat, erzitterte die Kabine geringfügig unter seinem Gewicht, das war zu erwarten. Sie besaß die Größe einer Umkleidekabine, und auch wenn der Geruch von Desinfektionsmittel und nassem Teppich immer noch da war, so hatte Cruz doch nicht erwartet, dass sie so sauber war, die Wände so glatt und ohne Kritzeleien. Es passte nicht zum Rest vom Kenilworth. Es sah nicht mal wie ein richtiger Aufzug aus, fiel ihm auf, denn es gab keine Chromleisten, keine Haltegriffe, keine eingerahmten Anzeigen. Es war nur ein Kasten mit Türen, die innere davon ein Stahlgitter, das zuglitt, wenn die äußere Tür eingerastet war. Er konnte durch ein monokelartiges Fenster aus Verbundglas die Eingangshalle überblicken. In Kopfhöhe gab es einen Lautsprechergrill in der Größe eines Taschenbuchs. Eine winzige Inspektionsluke war direkt in die Decke eingelassen, ungefähr fünfzehn Zentimeter außerhalb der

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