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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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Reichweite seiner gesunden Hand. Die Knöpfe für die Funktionen waren altmodische Druckknöpfe, einer für jedes Stockwerk, und ein übergestrichener Kipphebel, bei dem Cruz vermutete, dass man damit die Kabine anhalten konnte. Er drückte auf die Drei und bemerkte, dass der unterste Knopf ein L trug. L für Lobby. Was für ein Witz.
    Die Maschinerie surrte und nahm Geschwindigkeit auf; die Kabine machte einen Satz und polterte gegen die Seiten des Schachtes, als sie aufstieg. Ein schiefer Lichtspalt schien durch die Gummidichtung, wo die beiden Türen nicht genau aufeinandertrafen.
    Cruz sandte ein Dankgebet an den Gott der Fahrstühle. Er hätte nur unter großen Schmerzen seine halb toten Gliedmaßen die windschiefen Treppengänge des Kenilworth hochhieven können … Er lehnte sich gegen die Wand.
    Die Kabine hielt im zweiten Stock. Offenbar waren doch noch nicht alle Mängel behoben.
    Er drückte verärgert noch einmal auf den Knopf zum dritten Stock. Nachdem die Räder und Kabel ein wenig Zwiesprache miteinander gehalten hatten, entschloss sich die Kabine, sich weiter nach oben zu quälen. Sie stieg einen Meter hoch, dann blieb sie ruckartig in einem schiefen Winkel stehen, der Cruz aus dem Gleichgewicht warf, so als sei der Boden ein schlingerndes Boot auf rauer See. Er stolperte in eine Ecke, blieb aber stehen. Die Kabel hatten nachgegeben oder die Kabine hatte es sich in ihrem maroden mechanischen Hirn einfach anders überlegt und beschlossen, jetzt sei Zeit für eine Siesta. Sie wackelte auch nicht mehr. Sie schien festzustecken wie ein fetter Mann in einem schmalen Durchgang.
    Cruz verfluchte Fergus erneut und betätigte den STOPP-Hebel. Hoch-runter, klick-klick. Nichts. Natürlich nicht.
    Er stemmte die innere Tür auf. Dazu musste er seinen Stiefel darin einzwängen, und ihm entfuhr mehrmals ein Schmerzlaut, wenn er die Muskeln belastete. Jede Sehne in seinem Nacken schien überdehnt zu sein. Unterhalb der Knie konnte er die Fahrstuhltür zum zweiten Stock sehen. Der Boden der Kabine teilte das Gitter. Trübes Licht spielte um seine Füße. Wenn er sich jetzt in eine sitzende Position brachte, konnte er mit dem einen Fuß die Tür aufstoßen und sich heraushangeln. Er zögerte, weil seine Aufmerksamkeit von dem gefangen genommen wurde, was er am oberen Ende der offenen Innentür sehen konnte.
    Das Mauerwerk hörte da auf. Er sah einen vier mal vier Zoll starken Stützpfosten und dahinter Schwärze. Die Mauer war nicht durchgängig, es gab einen Spalt von einem halben Meter oder mehr zwischen der zweiten und dritten Etage des Gebäudes, so wie horizontale Schallisolierung durch einen Hohlraum … obwohl in einer Kakerlakenbude wie der hier so etwas Fortschrittliches bestimmt nicht zu dem Zweck eingebaut worden war.
    Er trat zurück und stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. Es war möglich, dass sich dieser lichtlose Spalt bis zum Ende des Gebäudes selbst hinzog, und das reichte für einen Verstand wie den von Cruz aus, um es als Schmugglerversteck zu erkennen. Ein trockener, muffiger Geruch strömte aus dem Spalt und zog an Cruz vorbei in den offenen Fahrstuhlschacht. Es roch nach alten Kellern, nach Mumien. Das hier, dachte er, wäre ein erstklassiges Versteck für mehrere Tonnen vom Big K.
    Allein der Gedanke an Dope ließ ihn wieder heftiger atmen.
    Der Spalt war perfekt. Wahrscheinlich hatte man seine Existenz lange vergessen. Er konnte sich das später noch zunutze machen, nachdem ein paar andere wichtige Dinge wieder ins Lot gebracht waren.
    Irgendetwas klatschte wuchtig auf das Kabinendach, wie eine große Tomate, die zehn Meter herunterfällt und zerplatzt. Platsch! Chiquita war wieder da, um ihn zu verfolgen.
    Seine Neugierde stand im Widerspruch zu seinem gesunden Menschenverstand. Der Fahrstuhl, egal, wie er aussah, konnte auch nicht anders sein als alles andere in Fergus’ Herrschaftsbereich: marode, uralt, gefährlich und unberechenbar. Jetzt saß er in dem Schacht fest, hing frei in der Luft, und irgendwelche Sachen regneten auf das Dach hinunter …
    … also beweg deinen faulen Arsch hier raus, aber pronto.
    Seine Beine aus der Kabine heraushängen zu lassen war unangenehm genug. Der Schacht unter ihm ging tief hinunter. Die Tür zum zweiten Stock sperrte sich gegen einen einfachen Tritt. Sein tauber Arm hatte gerade auf diesen Moment gewartet, um sich wieder zu Wort zu melden. Die letzten Reste des Schmerzmittels wurden gerade aus seinen Adern

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