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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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Phenmetrazin. Nichts, was wirklichen Schaden anrichten könnte, wenn er seine Tanks volllud. Also killte er ungefähr ein Gramm. Er setzte dem Schneesturm, der außen um das Kenilworth pfiff, einen Schneesturm in seinem Schädel entgegen und fühlte, wie sein Metabolismus in Habachtstellung ging. Bumm-cha-cha. Musik für sein Herz und Donner in den hypersensiblen Transportwegen seiner Adern.
    Der Schmerz in seinem Arm stellte sich selbst auf AUS, und sein Verstand ging Drachenfliegen. Er fühlte sich wieder in Bestform – agil, aufnahmefähig, hellwach, mit Satellitenaugen, die jedes Detail aufnehmen und sofort rasiermesserscharf analysieren konnten. Zu allen Schandtaten bereit. Seine nächsten Aktivitäten waren lebenswichtig, und er musste auf dieser Ebene der Effizienz weiter funktionieren. Er konnte fühlen, wie er Kalorien verbrannte, auch wenn er nur herumstand.
    Er fand Jonathans Exedrin im Badezimmerschrank und zerbröselte fünf Tabletten. Er schluckte das kalkige Zeug mit einer Handvoll Wasser. Auch diese Pillen würden ihm als Verbündete gegen den konstanten Kopfschmerz und die pochenden Schmerzen in seinem verletzten Arm beistehen. Er fing eine Handvoll von dem fließenden Wasser auf und reinigte seine Nasenhöhlen mit einem heftigen Schnauben. Er stellte fest, dass er sich jetzt mit völliger Klarheit auf jedes Staubkörnchen konzentrieren konnte, das in dem Salzwasser seiner Augen herumschwamm.
    Perfekt.
    Er atmete heftiger und schneller. Die kalte Luft fühlte sich gut an, reinigend, scharf, kräftig, beißend, gottverdammt gut. Er hatte seine Erschöpfung abgelegt wie ein verschwitztes Hemd.
    Als er das Ding an seinem Bein fühlte, dachte er im ersten Moment an eine abgetrennte tote Hand und zuckte so zusammen, dass er beinahe durch die Decke ging. Er schrie auf, sprang zur Seite und fing nur um Haaresbreite einen üblen Fall gegen die Badewanne ab.
    Eine Katze, nur eine Katze.
    Die schwarze Katze, die er vor ein paar Tagen im Flur gesehen hatte, strich ihm um die Beine und rieb sich heftig an den Schnürsenkellaschen seiner Armeestiefel. Vielleicht war sie Jonathans Haustier, auf jeden Fall schien sie Cruz für einen Freund zu halten.
    Zuerst dachte er, die Katze wäre verletzt; sie hatte etwas Blut mit eingeschleppt. Aber sie schien keine Schmerzen zu haben.
    Cruz überprüfte die Wohnungstür und stellte fest, dass sie immer noch verschlossen war. Ganz bestimmt war das Tier auch nicht durch das Badezimmerfenster gekommen. Keine Katze, nicht mal wenn man von der Annahme ausging, dass Ratzen Verstand besaßen, war in der Lage, sich an Jonathans improvisiertem Kletterseil hochzuhangeln, nicht mit all dem Schmier und dem Dreck, den Cruz in dem Schacht gesehen hatte.
    »Okay, Katzenkumpel. Wo kommst du her? Warst du schon die ganze Zeit hier drin?«
    Keine Antwort. Dämliches Katzenviech.
    Sie lief hinter Cruz her in das Wohnzimmer – wie in Cruz’ Wohnung war auch hier der Kasten mit dem größten Fenster per Definition das »Wohnzimmer«. Außerdem war es der einzige wirkliche Raum, abgesehen von dem Badezimmer. Jonathan besaß mehr Bücher, als Cruz je zuvor in seinem Leben gesehen hatte. Sie waren nach dem Umzug immer noch in Kisten verpackt, und das würden sie jetzt auch bleiben, bis jemand, dem Jonathans Lesegeschmack völlig egal war, sie zum Altpapier geben würde.
    Seit der vierten Klasse war Cruz nicht mehr in einer Bibliothek oder einem Buchladen gewesen. Er sah sich ein paar der Buchrücken an. Wilde – Gesammelte Werke, Jujitsu für Christus, Der Sieger geht leer aus, Huren. Irgendetwas namens Der diamantene Bogo. Kälte im Juli. Die simple Kunst des Mordens. Woher, zum Teufel, wusste der Knabe überhaupt, was für Bücher ihm gefielen? Wie kam man überhaupt auf die Idee, ein Buch zu kaufen, wenn man es vorher nicht gelesen hatte? Die Bilder auf den Umschlägen waren alle irreführend und halfen kein bisschen weiter. Noch ein Grund, warum Bücher für Cruz ein undurchdringliches Geheimnis blieben: Man konnte sie nicht einmal nach dem Umschlag beurteilen. Wo, zum Teufel, sollte man dann anfangen? Er öffnete eines auf Geradewohl und versuchte, Nietzsche anhand eines kurzen Blicks zu begreifen. Jonathan hatte auf einen Post-it-Zettel, der an einer Seite klebte, geschrieben: Keine Distanz mehr von der Angst / Jetzt lacht sie dir ins Gesicht / Stell dich ihr oder STIRB.
    Es war, als versuche man, UFO-Signale zu entschlüsseln.
    Mit diesem Vergleich im Kopf – der für Cruz’

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