Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
Vom Netzwerk:
zähflüssig und trübe schien.
    Er fasste hinaus und rüttelte das Kabel. Die Streichhölzer wurden dadurch angezogen. Als er das lose Ende einholte, stellte er fest, dass nichts daranhing. Eine weitere Schlaufe, das wars.
    »Wenn Jonathan da unten ist, dann ist er unter Wasser. Nichts mehr zu machen.«
    Es war zu dunkel, um die schlammig rote Färbung zu sehen, die das Wasser angenommen hatte.
    Als er sich umdrehte, war Jamaica schon in das Wohnzimmer zurückgegangen, und das Toben des Sturms hatte sich ein wenig gelegt. Das Außenfenster war nicht zerbrochen, und sie hatte es geschlossen.
    Mit dem geschlossenen Fenster blieb auch die eisige Luft aus, und der Gestank des rohen Fleisches kehrte umso stärker zurück. Er trieb Jamaica auf den Flur hinaus.
    Cruz fand sie in der Nische am Foyer, da, wo sie alle bei der Razzia zwei Nächte zuvor zusammengetrieben worden waren. Ihre Knie waren eingeknickt, ihr Rücken an die Wand gelehnt, und sie umklammerte ihre Handtasche vor der Brust wie einen Schild. Ihre unergründlichen grünen Augen waren starr und feucht, aber sie hatte keine Tränen vergossen. Sie erschien Cruz wie jemand, der kurz vor einem Nervenzusammenbruch steht.
    Er nahm ihren Arm. Sie sah ihn immer noch nicht.
    »Komm mit. Wieder hoch. Nur für eine Minute.«
    Sie schüttelte heftig den Kopf und entzog sich ihm. Ihre Schulterblätter krachten gegen die Wand. Irgendwo hämmerte jemand zurück.
    »Jamaica.« Er ließ seine Stimme sanfter klingen. »Hey.«
    Gelb loderte heiß durch das Grün, und jetzt blickten ihre Augen ihn an. »Mir geht es gut, verdammt noch mal. Fass mich nur nicht an. Mir gehts gut.« Sie schnaubte heftig, als versuche sie, Staubwolken aus ihrem Kopf zu blasen. Die kalte Luft klärte ihre Gedanken.
    Er begann wieder, die Lippen zu bewegen. Er wollte sie beruhigen, wollte sie wieder auf Kurs bringen, denn mit typischer Machosturheit dachte er, er hätte es hier mit einem hysterischen Frauenzimmer zu tun, dass eine Gefahr für seine Flucht darstellte. Er musste wichtige Sachen auf die Reihe kriegen, und das ging nicht, wenn Jamaica jetzt die Nerven verlor.
    Sie fing seinen Blick auf und sah in ihm, dass sie nichts Besonderes war, nichts weiter als eine in Panik geratene Hure.
    Scheiß drauf, dachte sie.
    Blutströme durchzogen ihr Hirn, überfluteten es und flüsterten: Du wirst mich nie vergessen, Baby. Sie benutzte ihre Wut, um die Bilder beiseitezuschieben. Für die hatte sie später noch genug Zeit, sie würden sie den Rest ihres Lebens begleiten.
    Bevor Cruz auch nur mit seiner Beschwichtigungsrede anfangen konnte, unterbrach sie ihn: »Du musst mir nicht den Kopf tätscheln. Und ich brauche auch kein Valium. Beweg deinen Arsch da wieder rein und mach die Türen zu. Bauhaus hat heute Nacht deine Wohnung auf den Kopf stellen lassen; er will dir etwas anhängen, und wenn ich du wäre, dann würde ich ein paar ernsthafte Gedanken daran verschwenden, mir auszurechnen, wie hoch die Chancen stehen, dass du in ein paar Stunden tot sein könntest.«
    Er seufzte frustriert. »Marko. Dieser verfluchte Muskelprotz. Als ich hier vorher hereinkam, habe ich zuerst gedacht, Marko wäre durchgedreht und hätte jeden umgebracht …«
    »Das ist nicht sein Stil. Ich hatte dich gewarnt: Niemand klaut Bauhaus irgendetwas. Er vergisst nie.«
    Der König der Stadt, dachte Cruz und meinte Bauhaus. Der Typ ist so heftig auf Drogen, dass er sich für eine Art Gott hält, genau wie Emilio. Bei all der Verstohlenheit und den versteckten Schiebereien wurde Bauhaus nur immer größenwahnsinniger. Wenigstens war das Rasiermesser von Emilio eine offene Drohung, und Cruz wäre im Augenblick sogar lieber dem gegenübergetreten als mit diesem ganzen Geheimdienstscheiß weiterzumachen. Sich einfach Emilio von Mann zu Mann stellen und es hinter sich bringen. Ohne die Hilfe von Rosie. Er musste es selbst tun.
    Er brauchte jetzt unbedingt einen Schnief von der Dröhnung, und er wusste, wo er den kriegen konnte. Es rumorte in seinem Magen, und seine Schläfen pochten.
    »Du musst das Kilo verschwinden lassen«, sagte sie. »Das ist alles, was uns geblieben ist, und wenn wir uns nicht beeilen, dann verlieren wir das auch. Wir kriegen Gesellschaft.«
    »Mach ich gleich«, sagte er. »Ich weiß auch schon, wo.« Er versuchte, sie wieder die Treppe hochzudrängen, aber sie weigerte sich.
    »Ich habe versprochen, ich würde heute Nacht bei Bauhaus vorbeikommen. Wenn ich da nicht auftauche, weiß er, das etwas im Busch ist.

Weitere Kostenlose Bücher