Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
Vom Netzwerk:
Großteil seiner Mitbewohner.
    Es sah so aus, als sei jeder aus dem Bett geschmissen worden. Auf schwarzen und braunen und weißen Gesichtern sah er die gleiche Angst, die sich auch eiskalt zwischen seinem Herzen und seinem rechten Lungenflügel ausgebreitet hatte.
    Er trat von einem Fuß auf den anderen, abwartend. »Kann ich jetzt reingehen? Ich … äh … na ja … ich frier mir hier draußen die Eier ab.« Gezwungene Heiterkeit wirkte nie bei der Polizei.
    Man konnte es ja mit Höflichkeit probieren. »Dürfte ich, bitte?«
    Nein, Jonathan durfte nicht, bitte oder nicht.
    Nicht bevor er dem Eidechsenbullen nicht seinen kompletten Namen und die Appartementnummer und einen gültigen Ausweis und die Dauer seines Aufenthaltes angegeben hatte – wie idiotisch, schließlich zog er gerade ein. Hundert andere Kleinigkeiten. Wie war sein Verhältnis, falls er eines hatte, zu dem Kind Mario Velasquez, zurzeit vermisst, wahrscheinlich verletzt oder getötet. Warum war der Toyota nicht auf seinen Namen zugelassen? Wer war der eingetragene Besitzer? Wie lautete dessen Name, Adresse, private und Diensttelefonnummer und seine Beziehung, falls er eine hatte, zu dem Kind …
    Jonathan gab lustlose einsilbige Antworten. Der Eidechsenbulle kritzelte vor sich hin, er mochte Jonathans Einstellung offenbar nicht. Jonathan durchlebte Gewaltfantasien, in denen er dem Eidechsenbullen einen 12-Schüsser zwischen die Zähne rammte und sein Spatzenhirn über den ganzen Schnee verteilte. Dann würde das Licht der Alarmsirenen auf dem Schnee nicht mehr so blenden. Die Nachbarn sahen schon jetzt hinter ihren Vorhängen hervor. Trotz der Temperaturen nahe dem Nullpunkt brach Jonathan der Schweiß aus. Er roch die Angst, die sich von seinen Achselhöhlen aus verbreitete. Sein Schwanz versuchte sich in seinem Arsch zu verkriechen. Am meisten ärgerte es ihn, dass der Bulle ihn einen Jungen nannte, wo der selbst doch bestenfalls siebenundzwanzig war.
    Er wurde dann in das Foyer geleitet, für noch mehr Fragen. Es wurde festgehalten, dass Jonathan schon vorher in dem Gebäude aus und ein gegangen war, vor, während und nach der fraglichen Zeit, jedoch nicht im dritten Stock. Das behauptete er wenigstens.
    Stallis berichtete dies Reinholtz, dem klobigen Bullen. Reinholtz’ Gesichtsausdruck war zu entnehmen, dass Jonathans Geschichte die Konsistenz von gebrauchtem Toilettenpapier besaß.
    Reinholtz war ein Geierbulle. Er hatte die Mütze abgenommen, und Jonathan konnte eine leuchtende kahle Stelle sehen, die das bisschen dünnen Haupthaares verdrängt hatte. Es sah aus wie ein Klumpen zermatschter Kartoffeln mit Pfefferkörnern, die langsam hinten an seinem Kopf hinunterrutschten. Seine Augen hatten eine trübe blaue Farbe, so wie Trinkwasser, das die Farbe des Kanisters angenommen hatte.
    Das Stöhnen des Windes verebbte, als sich die Eingangstür schloss. Der alte Mann, der von dem Geierbullen verhört wurde, wandte sich an Jonathan.
    »Sie«, sagte er, »ich habe Sie hier noch nie gesehen. Nein, Sie.«
    Er kam näher heran.
    Jonathan roch einen Hauch Spaghettisoße aus der Dose, als er begutachtet wurde. »Nee.« Das Licht aus den nackten Glühbirnen spiegelte sich in den blauen Augen des Mannes und ließ sie hart und anklagend erscheinen. »Sind Sie Jude?«
    Bei den Briefkästen räusperte sich ein anderer Polizist lautstark, so als wolle er seine Vorfahren gegen die Bigotterie des Alten in Schutz nehmen. Eine Anzahl Leute kam die Treppen heruntergepoltert, und Jonathan sah seinen neuen Nachbarn von oben, Cruz, in Handschellen. Hinter Cruz kam ein Mädchen in Spitzen und Leder; eine rote Strähne im Haar, karamelfarbene Haut, längliche, fast japanisch anmutende flaschengrüne Augen, ein steiler Zahn vom Scheitel bis zur Sohle. Aber jetzt waren ihre Augen durch die unangenehme Lage und durch schlechte Laune getrübt.
    »Oh, Ni-Na-Nutte«, grinste der Eidechsenbulle. »Ist das nicht unser aller Liebling Cyndi, die Matratzenlady?«
    »Und wer zur Hölle ist die Schlampe? Die habe ich hier auch noch nie gesehen!«
    Der Mann in dem Bademantel wurde vom Zentrum des Geschehens weggelotst, um weitere Ratespiele mit dem Affenbullen zu spielen, der deutlich damit überfordert war, den alten Knacker zur Räson zu bringen.
    Cruz und die Frau wurden von einem Roboterbullen nach vorn geschoben. Jonathan bemerkte die Dienstabzeichen eines Sergeanten. Der Robotterbulle war der dienstälteste anwesende Polizist, der größte und der, der sich am langsamsten

Weitere Kostenlose Bücher