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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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öffentliche Provokation: Lehn dich doch gegen uns auf. Wirst du ja doch nicht. Kannst du ja doch nicht. Feigling, Memme. Na komm, mach uns auf dich aufmerksam – wir lieben es, Fragen zu stellen. Der Anblick von Uniformen hatte bei Jonathan zu einem Ziehen in der Magengegend geführt, seit er denken konnte: Das fing schon damals vor seinen Kindergartentagen an, als er in McCoys Laden in Fort Worth gestiefelt war, um sich einen Lutscher zu kaufen, und die Polizei ihn aufgegabelt hatte.
    »Wohnst du hier, Kleiner?«
    Die unangenehmen Erinnerungen und die Gegenwart prallten frontal aufeinander. Er versuchte, sich unsichtbar zu machen. Seine Zunge lag ihm schwer im Mund. Lass dich nicht vom Lehrer erwischen; lass die großen Jungs in der Klasse nicht sehen, was du da hast; blamier dich nie, niemals vor einem Mädchen. Deren Spott ist schlimmer als tausend Tode.
    Jonathans Blick fiel – schuldbwusst – auf den Karton in seinen Händen. Er versuchte sich in Erinnerung zu rufen, wie Hehlerware definiert wurde. Wer zum Teufel wusste schon, was an einem Ort wie Oakwood legal war und was nicht? Er grüßte den Beamten, mit hektischen Augen. Cool war er nicht gerade.
    Die Schulterstücke verrieten Jonathan, dass die Gemeinde Oakwood sich ihre eigene Schutztruppe hielt. Der Polizist trug einen dicken Nylonmantel mit einem blauen gepolsterten Kragen und Feuerwehrknöpfen. Über dem Dienstabzeichen war ein eingestickter Name: STALLIS.
    Officer Stallis erinnerte Jonathan an eine Eidechse. Er hatte eine krumme Nase, und das Fleisch um seine Augen herum war gerötet, so als hätten die Blutgefäße versucht, durch die Haut zu brechen, um nach Luft zu schnappen. Die Falten um die Augen des Eidechsenbullen wirkten besorgt, sanft, aber bestimmt nicht an Ausflüchten interessiert. Sie hatten die Farbe von Uferschlamm, die Sorte, in der sich Wasserschlangen verbuddeln, wenn sie dösen wollen.
    »Was zum Teufel ist das.« Die Augen des Eidechsenbullen deuteten auf Jonathans Pappkarton. Das war eventuell sogar als Frage gemeint.
    Jonathans Eier krampften sich zusammen. Die Kiste enthielt Kochschinken und Schweizer Käse für Sandwiches. Und noch mehr geräucherten Truthahn. Einige Filmmusiken von Tangerine Dream, die er sich von Bashs Platten auf Cassette gezogen hatte. Jonathans angespannte Nerven erinnerten ihn daran, dass das Kopieren von Schallplatten ILLEGAL war. Karteikarten, Schmierpapier und Schreibmaterialien von Rapid O’Graphics: GESTOHLEN. Sechs Taschenbücher aus Bashs Bücherschrank: ZENSIERT! Hatte Oakwood Zensurbestimmungen? Waren hier auch Bücher illegal, so wie Alkohol? Würden man sich hier überhaupt für so etwas wie The Drive-In oder Westlakes Man with the Getaway Face interessieren? Oder für die Kaffeetasse, die er sich von Bash geborgt hatte? Seine Gedanken rasten um die anderen eventuell verbotenen Gegenstände: ein Paar wärmespeichernder Plastikkaffeebecher mit besonders dummen Sprüchen darauf. Eine Aluminium-Kaffeekanne. Zwei Päckchen Kaffee, mit den besten Grüßen von Bash. Ein Kompass und ein Set von Schnitzmessern im gepolsterten Etui. TÖDLICHE WAFFEN.
    Jonathan gab es auf. Es gab nichts, wofür man ihn belangen konnte, und doch sprach sein Gesichtsausdruck Bände: Kiste? Was für eine Kiste?
    »Ich ziehe gerade hier ein.« Er zuckte mit den Achseln. Es war nur als Murmeln herausgekommen, ohne Überzeugungskraft. Es hörte sich an wie eine ad hoc zurechtgelegte Ausrede. Jetzt musste der Eidechsenbulle sagen …
    »Ungewöhnlich, mitten in der Nacht umzuziehen.«
    Du rattenverpisster steifnackiger Päderast, du Eliteeinheitsschwanzlutscher, geh und fick Wachtmeister Piggys Arschloch mit deinem dicken, fetten Schlagstock und kümmer dich um deinen eigenen Scheiß, du kotrauchender, scheißhaufiger Schleimbeutel …
    »Das heißt, dass Sie und ich wohl beide eine Nachtschicht einlegen mussten. Was soll ich dazu sagen?« Er sah noch mehr Uniformen im Foyer des Garrison-Street-Eingangs. Ein Bulle, gut gepolstert in voller Montur und Mantel, befragte einen weißhaarigen Alten in einem Morgenmantel. Wahrscheinlich war es immer noch saukalt in der Eingangshalle. Den Bullen interessierte das nicht, langsam machte er sich Notizen in einem dicken aufklappbaren Ledernotizbuch. Er sah aus wie ein gelangweilter Oberkellner, der eine besonders mickrige Bestellung aufnehmen musste. Jonathan bemerkte jetzt, dass die meisten Lichter an der Nordseite des Kenilworth Arms brannten. Er sah jetzt zum ersten Mal einen

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