Der Schacht
bewegte. Falsche Zähne, die zu gleichmäßig waren und die durch Jahrzehnte des Kaffeekonsums vergilbt waren.
»Ich hätte nicht gedacht, dass wir irgendwelche neuen Leute in dieser Bruchbude finden würden, aber hier ist unsere Cyndi, die behauptet, dass sie in dieser Woche Jamaica heißt, und die sich gerade eine Ladung aus der Nudel dieses Mex hier verpassen ließ. Dritte Etage.«
Das silberne Namensschild des Roboterbullen blitzte auf. BARNETT. Seine Brille mit Stahlrahmen ließ Jonathan an Gorts Schutzbrille denken, die gerade eben seinen tödlichen Strahlenblick unter Kontrolle bringt, bevor er alle und jeden zu Asche verbrennt. Der Typ trug noch mehr Metall in Form von Abzeichen und Dekorationen. Der Robotterbulle klimperte, wenn er sich bewegte. Unter seinem offenen Mantel konnte Jonathan die Schulterstücke der offiziellen Herrscher von Chicago sehen.
»Herrgott im Himmel!«, grollte der alte Mann. »Ich kenne überhaupt niemand von diesen verdammten Blagen.«
»Klarer Fall von Drogenbesitz«, sagte der Robotterbulle. »Wir haben Spuren in der ganzen Wohnung gefunden. Und einen Pieper.« Er schnappte sich Cruz’ Kragen mit seiner fleischigen Hand. »Du hast eine ganze Menge die Toilette heruntergespült, habe ich recht, Arschloch?«
»Nein, Sir«, sagte Cruz mit niedergeschlagenen Augen. Bei Bullen und anderen Tieren mit Tollwut soll man direkten Augenkontakt vermeiden.
»Die Toilettenspülung hatte sich verklemmt und lief immer noch. Ich vermute, er hat ein Kilo in unser Abwasser abgeladen, und jetzt düsen die Ratten alle auf hundertachtzig in der Gegend herum. Ist wahrscheinlich eines von Bauhaus’ neuen Arschgesichtern. Scheiß drauf: Wir müssen ihn so oder so registrieren, und das gilt für den süßen Arsch hier genauso, egal, wie sie heute heißt.«
Die beiden kriminellen Elemente wurden nach vorne geschoben.
»He, Reinholtz«, sagte der Eidechsenbulle. »Erzähl dem Mex doch mal, an wie vielen Polizeiknüppeln diese Schlampe schon gelutscht hat.«
Der Geierbulle war sofort bei der Sache: »Ach was, Stallis, das kann man so einfach nicht mehr sagen. Man müsste es schon in Raummetern angeben. Habe ich recht, Zuckerchen?«
Jamaica riss sich los. »Ja. Ein Holzbrettchen entspricht so ungefähr zehn von euch Scheißhaufen. Und wisst ihr was? Bullen muss man einen blasen, weil sie zu blöd zum Ficken sind.« Sie lächelte strahlend – Amerikas Liebling, der zur Pornobranche übergewechselt war.
Jonathan versuchte, näher an die Treppen heranzukommen.
»Halt, einen Moment!« Das war der Eidechsenbulle, sein Bewacher. »Sie bleiben hier bei Miss Zuckermöse. Niemand hat gesagt, dass Sie gehen dürfen.«
Jonathan wurde am Oberarm gepackt und zu den Briefkästen eskortiert, wo schon Cruz, Jamaica und der alte Mann unter den wachsamen Blicken des Affenbullen warteten. Er hielt immer noch die Kiste mit seinen Sachen umklammert.
»Willkommen im Viertel.« Cruz tat so, als hätten seine Handschellen nichts zu bedeuten.
Jonathan blinzelte. Das war doch einfach unglaublich. Es war zu spät für so einen Aufstand.
Cruz lehnte sich vor und senkte seine Stimme. »674-2779. Ruf da an. Es ergibt ein Wort: MR HAPPY. Ruf da an und sag Bescheid, was mit mir passiert ist. Cruz. Okay? Tu es bitte. Sag denen, was hier vorgefallen ist.«
Von der Treppe her rief der Robotbulle herüber, Cruz solle die Klappe halten. Cruz gab ein Yes, Sir zurück. Dann fügte er, an Jonathan gewandt, noch hinzu: »Bitte.« Er meinte es ernst, sein Tonfall war drängend.
Jonathan hatte weder zugestimmt noch abgelehnt, aber Cruz zog die Mundwinkel herunter und nickte, so als sei er überzeugt, Jonathan werde den Pakt einhalten.
Jamaica musterte Jonathan. Gar nicht schlecht für einen weißen Jungen. »Wohnst du hier in der Bude?«
Er nickte wieder wie eine Marionette oder ein Hofnarr. Er bewunderte ihre Energie, die Art, wie sie sich ohne zu zögern mit den Bullen angelegt hatte, obwohl sie doch wissen musste, dass ihr das nur Ärger einbringen konnte. Das steigerte nur noch seine Selbstverachtung für den guten alten Jonathan. Wenn man ihn vor die Wahl stellte, etwas zu tun oder nicht zu tun, dann konnte man sich felsenfest darauf verlassen, dass der gute alte Jonathan sich ganz bestimmt für das Nichttun entscheiden würde. Warum sollte man das Risiko eingehen, in irgendetwas verwickelt zu werden? Die Zivilisation war für Jonathan wie gemacht, sie bot Tausende von vorgefertigten billigen Ausreden, mit denen man jede
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