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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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Rechten ziehen wollte. Das Kokain zündete und hob ab; es schien von seiner Schädeldecke zurückzufedern und sich schnurstracks auf den Weg Richtung Herz zu machen. Er könnte schwören, dass er fühlte, wie es an der Rückseite seiner Augäpfel entlangglitt. Er kräuselte die Nase.
    »Weißt du, dass sie Kokain immer noch als Betäubungsmittel in der plastischen Chirurgie verwenden? Es gilt als eines der wenigen in der Natur frei vorkommenden Anästhetika.«
    Plötzlich vermittelte ihm Jamaica das Gefühl, ungebildet zu sein.
    Jonathans Serotoninspiegel ignorierte jeden weiteren Input, während seine Neurotransmitter Polka tanzten. Seine Pupillen verengten sich leicht. Er fühlte, wie sich sein Herzschlag und seine Atmung beschleunigten. Er schien Bewegungen gegenüber extrem sensitiviert zu sein; sein Halsansatz und die Handrücken wurden zu Radarschüsseln, die seine Kampf-/Flucht-Reflexe anregten. Er fühlte sich aufmerksam und ausgeglichen, so als ob er sich endlich auf die richtige Flughöhe eingestellt hätte.
    »Jetzt brennt es«, sagte er und machte ein Gesicht wie ein Hund, der sein Futter nicht mag.
    »Nimm noch einen Drink. Wasch den schlechten Geschmack sofort weg.«
    Er leerte sein Quietly bis auf den letzten Rest. Das war es also. Es mit einem großen E. Die Gesellschaftsdroge, über die so viel geschimpft wurde. Es war mehr oder weniger so wie ein Schluck purer Gin, den man sich direkt in die Nase kippte.
    Jamaika füllte ein paar weitere Strohhalme mit dem sauberen Kokain und steckte sie in Jonathans Parka, der über der Holzlehne eines der Esszimmerstühle lag. Das schien ihr eine angemessen freundschaftliche Geste zu sein, genau wie das viele Bein, das sie dabei zeigte. Jonathan dachte, dass Jamaica schon eine klasse Frau war.
    Ein paar Linien später machte Jonathan seinem zweiten Bier den Garaus und dachte gerade, dass Jamaica noch viel mehr Klasse hatte, Oberklasse, als Bauhaus zurückkam.
    »Was ist los, Papa Bär?«, fragte Jamaica. »Ist dir dein Zeitgefühl abhanden gekommen, während du Cruz durch das Guckloch in der Dusche beobachtet hast?« Sie stieß Jonathan mit dem Ellbogen. »War nur ein Witz. Er hat jeden Raum in der Wohnung mit Videokameras ausgestattet.«
    Das Lächeln floh aus Jonathans Gesicht. Hatte Bauhaus beobachtet, wie Jamaica ihm das Kokain in die Manteltasche gesteckt hatte? Hatte er ihr Gespräch über ihn mitgeschnitten …?
    »Er hat auch Geheimtüren hier. Verborgene Ausgänge. Uhhhuuuu, wie gespenstisch.«
    Bauhaus ignorierte ihre Sticheleien. »Jonathan, ist doch richtig oder?« Versuchte er, sich an Jonathans Namen zu erinnern oder nur seine Anwesenheit zu sanktionieren? Er reichte ihm einen blauen Pergamentumschlag, der zehn Hundert-Dollarnoten enthielt.
    »Danke. Vielen Dank, Mr Bauhaus.« Er hielt ein Bein fest um den Barhocker gewickelt, während sein anderer Fuß manisch hin und her schwenkte und Kalorien verbrannte. Er musste etwas Geistreiches sagen. »Ich muss mal pissen … ich meine, äh, wo ist …?«
    Es mochte das Bier sein oder seine zu klein geratene Blase oder eine Nebenwirkung des Kokains oder alles drei zusammen. Jamaica zeigte ihm den Weg.
    Bauhaus blutunterlaufene Augen folgten Jonathans Schritten den Flur hinunter. Der blieb stehen und sah sich um. Die gerahmten Bilder auf beiden Seiten schienen ihn ungemein zu interessieren. Es waren abstrakte Gemälde, kostbare Originale. Sie waren auf verschnörkelte, unleserliche Weise signiert. Chaotische Farbkleckse. Unstrukturierte Linien. Beißende Gegensätze. Definitiv wahre Kunst.
    Jonathan erwischte zuletzt doch die richtige Tür.
    »So, meine Liebe. Wie wäre es jetzt mit ein oder zwei Fragen?« Bauhaus massierte Jamaicas Schultern von hinten. Sie erstarrte und legte vorsichtig die Utensilien auf den Tresen.
    »Zuerst: das Koks. Sagt Cruz die Wahrheit? Dass er das Zeug loswerden musste?«
    »Sicher.« Sie hielt ihre Augen gesenkt und drehte sich nicht zu ihm um.
    »Und du hast gesehen, wie er das getan hat?«
    »Er hat es die Toilette heruntergespült. Alles. Hast du noch nie einen Vier-Pfund-Schiss gehabt? Es ist alles glatt runtergegangen.«
    »Zweifellos.«
    Rubbel, rubbel, jetzt härter.
    »Ich habe aber bisher selten einen Neunzigtausend-Dollar-Schiss gehabt. Weiter: Was hat er mit den Verpackungen gemacht? All das Plastik, das mit dem Kokain in Berührung gekommen war?«
    »Das hat er danach runtergespült. Die Bullen waren auf dem Weg die Treppe rauf, und er konnte ja nicht wissen, dass sie

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