Der Schädelring: Thriller (German Edition)
hinterher zu stolpern. Ich brachte es jedoch nie übers Herz, etwas zu schießen.“
„Wie lange bleiben wir hier?“ frage Julia.
Walter zuckte mit der Schulter. „Ein bis zwei Tage. Ich weiß nicht.“
Sie neigte sich nach vorne und berührte sein Knie. „Glaubst du, dass Hartley etwas mit dem Verschwinden deiner Frau zu tun hat?“
Er starrte mit einem schmerzlichen Ausdruck in das Feuer. „Manchmal befürchte ich, dass sie dazu gehört hatte. Dann halte ich mich wieder für verrückt, sowas zu denken. Andererseits, wenn man hört, was die Leute über Teufelsanbeter sagen, was sie Föten und Babies und Kindern antun . . . und sie änderte sich, als sie schwanger wurde. Sie wurde verträumt, ängstlich und misstrauisch anderen Menschen gegenüber.“
Julia rutschte zu ihm hin und umarmte ihn. Sie spürte die harten Muskeln unter seinem Hemd und drückte ihn so fest sie konnte an sich. Er lehnte seinen Kopf an ihre Schulter.
„Lass es sein“, flüsterte sie. „Lass sie nicht gewinnen. Lass dich von ihm nicht überwältigen.“
„Ihm?“
„Satan.“ Sie spürte, wie sich Walter verkrampfte, aber sie fuhr fort. „Viele Christen glauben nicht, dass er Wirklichkeit ist; sie denken, dass er ein abergläubisches Relikt sei. Nenne es das Böse, schlechtes Karma, was auch immer. Der Name tut nichts zur Sache. Das Wichtigste ist, dass wir nicht zulassen, dass die Dunkelheit uns verschluckt, von innen heraus.“
Sie schaute an ihm vorbei und überließ sich der Wärme seines Körpers. Nun spielte sie Therapeutin, obwohl ihr eigener Kopf ein Wirrwarr war. Es war ein Wunder, dass sie nicht bereits vor Monaten wahnsinnig geworden war. Sie stellte sich Dr. Forrests eigenartig ernstes Gesicht vor, als die Frau ihre Bluse öffnete und ihr das Pentagramm zeigte, das auf ihrem Bauch eingeritzt war.
„Du bist nicht allein, Julia“, hatte Dr. Forrest gesagt.
Sie zitterte bei der Erinnerung. Wie viele Frauen gab es, die glaubten, Bräute des Teufels zu sein? Waren die meisten willens wie Dr. Forrest oder waren sie verloren und verängstigt wie Julia? Schrien sie, wenn Panik und Zweifel sie von innen heraus auffraßen? Wurden die Opfer Satans geboren oder gemacht?
„Du bist nicht allein, Judas“, sagte Walter.
Julia riss sich von ihm los und rannte zur Tür. „ Was hast du gesagt? “
Walter schaute sie verwirrt an. „Ich habe nichts gesagt.“
„Doch, du hast etwas gesagt. Du hast gesagt ‚Du bist nicht allein, Judas.‘“
„Was zur Hölle?“ Seine Verwirrung verwandelte sich in Ärger.
Sie trat noch einen Schritt zurück und streckte die Hand nach der Türklinke aus. „ Du bist es gewesen, nicht wahr? Du hast die Zeichnung des Pentagramms mit den Worten ‚Hallo Juuulia‘ hinterlassen. Du hast am Wecker herum gebastelt. Du hattest einen Schlüssel. Das war dein Werk.“
Walter erhob sich und streckte die Hände nach ihr aus. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Werde jetzt nicht wahnsinnig, Julia. Bitte .“
Sein verletzter Ausdruck überzeugte sie beinahe. Beinahe.
Julia stieß die Tür auf und rannte blindlings in den kalten Morgen hinein, an den Bäumen vorbei, weg von der Hütte. Zweige schlugen ihr ins Gesicht. Sie warf einen Blick zurück und sah, wie Walter über die Schwelle trat und ihr nacheilte.
„Juuulia“, rief er, aber sie rannte weiter. Das Herz schlug ihr in den Ohren und die Gedanken überstürzten sich.
Walter. Er war der Unhold. Einer von Satans kleinen kranken Sklaven. Er tötete womöglich seine Frau selbst und riss ihr den ungeborenen Sohn aus dem Körper als Geschenk für seinen Meister.
Und die dumme, leichtgläubige Julia ging ihm gleich in die Falle, hatte sich ihm geöffnet und ihm vertraut und dies aus den fadenscheinigsten Gründen. Sie war das perfekte Opfer, schon immer gewesen und würde es auch immer sein. Sie könnte sich ebenso gut auf den Boden werfen und warten, bis Satan käme, um seine dunklen Bedürfnisse zu befriedigen und ihr das anzutun, das er all seinen Bräuten antat.
Ihre Lunge brannte in der kalten Luft. Sie rannte den Abhang hinunter, rutschte auf den Blättern aus und fiel hin, stand wieder auf und rannte weiter. Sie kam zu einer Felszunge und schlitterte zwischen zwei Granitblöcken hindurch. Sie ruhte sich etwas aus und spitzte die Ohren. Sie hörte jedoch nichts von Walter, sondern nur ihren eigenen unregelmäßigen, rasenden Atem.
Gigantische Eichen und Ahornbäume umringten sie und streckten ihre knorrigen Äste gegen den Himmel.
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