Der Schädelring: Thriller (German Edition)
zurück. „Trotz Computer sind manchmal die altmodischen Papierdokumente am hilfreichsten.“
„Ich kenne dein Ablagesystem. Wie hast du dies nur finden können?“
„Jobsicherheit. Solange nur du weißt, wo die leckeren Brocken sind, können sie dich nicht feuern. Selbst im Zeitalter von Google und dem Internet brauchst du manchmal ein Stück Papier.“
„Aha. Das kann sich als nützlich erweisen, wenn du dein Buch über das wahre Verbrechen schreibst.“
„Wahres Verbrechen? Vergiss es. Ich werde alles erfinden, genau wie für meine Titelseitenberichte.“
Julia lachte. Sie genoss das Zusammensein mit jemandem, bei dem sie sich wohl fühlte. Sie wurde von einer warmen Welle der Nostalgie überschwemmt. Trotz ihrer diffusen und fragmentierten Erinnerungen hatte sie hier eine feste Routine gehabt sowie Freunde und einen Verlobten. Elkwood war jedoch irgendwie wohltuender. Die rundlichen, uralten Berge wirkten wie starke Schultern, an die man sich in schwierigen Zeiten lehnen konnte. Sie vermisste bereits den Geruch des Holzes und die Pracht der Herbstwälder. Es kam ihr vor, als ob sie schon wochenlang in Memphis weilte.
Sue öffnete den Ordner, warf einen Blick auf die Anzeigenerstattungen und übergab sie Julia. Die ursprünglichen Notizen von Sue zu den Fällen waren dem Bericht mit Büroklammern angeheftet.
„Weißer Mann, Alter ungefähr 30, gefunden am Ufer des Mississippi von einigen Kindern.“ Julia umschrieb den Fall laut. „Geköpft. Ausgeweidet. Keine Fingerabdrücke gefunden.“
„Oh, der war gut“, sagte Sue mit einem wehmütigen Seufzer. „Dafür erhielt ich zwei Wochen Titelseite. Ich nahm den Faden etwa sechs Monate später wieder auf. Keine Lösung, aber ich nehme an, der Fall ist offiziell noch offen.“
Julia las den nächsten Fall durch. Weiße Frau, anfangs 20, mehrere Stichverletzungen an der Brust. Handgelenke aufgeschlitzt. Verblutet. Der Gerichtsmediziner konnte nicht feststellen, ob das Opfer vor oder nach dem Tod ausgeblutet wurde. Mögliche sexuelle Nötigung. Die Spitze des rechten kleinen Fingers fehlte.
Drei weitere Opfer waren in verschiedenen Stadien der Verstümmelung gefunden worden. In einem Fall hatte der Gerichtsmediziner festgestellt, dass eine Art Symbol in dem verstümmelten Teil des Fleisches eingeritzt war. Keiner der Ermittler hatte auf einen Ritualmord getippt. In einigen der eher mondänen Fälle schien es sich um Gewalttaten im Zusammenhang mit Drogen zu handeln. Die Taten hatten sich in einem Abstand von ein bis zwei Jahren ereignet und es wurde nie nach einer Verbindung zwischen ihnen gesucht.
„Hast du je versucht, einen Zusammenhang herzustellen?“ fragte Julia. „Diese Morde haben Einiges gemeinsam.“
„Ja, einmal habe ich die alte Budgie gefragt, ob ich mir ein paar Tage Zeit nehmen dürfte, um die Fälle näher unter die Lupe zu nehmen. Weißt du, was sie gesagt hat?“
Budgie war der wenig beliebte Spitzname von Bridget Lawrence, der neuen Nachrichtenredakteurin des Appeals. Sie hatte den Ruf, dass ihr mehr am Budget der Zeitung lag als an den Salären der Journalisten. Außerdem änderte Lawrence ihre Meinung nie.
Julia ließ ihren Kiefer sinken und imitierte Budgies saures Bulldoggengesicht. „Und was veröffentlichen wir in der Zwischenzeit? Pressetexte?“ sagte Julia in einer schrillen, von Zigaretten aufgerauten Stimme. Sie lachten beide.
Für einen kurzen Moment war Julia versucht, nach Memphis zurückzukehren und ihr altes Leben wieder aufzunehmen. Sie könnte wahrscheinlich ihren Job wieder haben und in ihrer Freizeit diesen neuen Hinweisen nachgehen. Sie könnte ein normales Leben führen, oder so normal, wie es einem Menschen mit einer Panikstörung möglich war.
Leider existierten solch gerade Straßen aus der Vergangenheit und der Zukunft nicht. Alles hatte sich geändert. Julia verlor die Verbindung zu Mitchell, aber sie hatte Dr. Forrest gefunden. Eine Heilung war im Moment wichtiger als alles andere.
Dazu musste sie in Elkwood bei ihrer Therapeutin sein. Nach dieser ernüchternden Erkenntnis studierte Julia die Notizen erneut.
„Zwei Dinge springen mir in die Augen“, sagte sie. „Erstens wurden alle Opfer mit Messern oder anderen scharfen Instrumenten getötet.“
„Ja, einer der Gerichtsmediziner sagte, dass die Brusthöhle eines Opfers mit einer Axt eingeschlagen wurde. Weitere mögliche Waffen waren gezackte Klingen oder chirurgische Messer. Keines der Opfer wurde vorher erschossen oder erschlagen;
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