Der Schädelring: Thriller (German Edition)
Geschichten.
Snead wurde mehrmals in den früheren Artikeln erwähnt. Er machte typische Polizistenaussagen wie „Wir verfolgen jeden Hinweis“ und „Wir hoffen, dass Herr Stone gefunden wird“. Ein Foto von Snead zeigte ihn vor dem Haus, wie er das Untersuchungsteam leitete. Seine Hakennase und die dunklen Augen gaben ihm den Ausdruck eines Raubvogels. Weit im Hintergrund, kaum sichtbar hinter dem Zaun, stand die Scheune auf der Wiese.
Julias Herzschlag beschleunigte sich einen Moment lang, dann konzentrierte sie sich wieder auf die Untersuchung.
„T. L. Snead, T. L. Snead“, murmelte Julia. „Was stellen die Initialen dar?“
Sue bewegte zwei ihrer Finger. „Überlassen wir die Suche meinen Fingern.“
Sie schaltete ihren Computer ein und klickte sich mit der Maus durch die Datenbank der Behördendaten bis zu den städtischen Polizeiakten. Eine separate Datenbank enthielt eine Liste der Mitglieder des Polizeiapparats mit den Salären und wichtigen Informationen zu ihrer Karriere.
T. L. Snead war nicht auf der laufenden Liste vermerkt. Eine Suche zeigte, dass Snead sich vor vier Monaten hatte versetzen lassen, obschon er beinahe das Pensionsalter erreicht hatte. Der Polizeileutnant hatte gekündigt und eine Stelle in Elkwood, North Carolina, angenommen.
16
„Komisch“, sagte Sue. „Wie viele Leute ziehen pro Jahr von Memphis nach Elkwood?“
„Glaubst du an Zufälle?“ fragte Julia.
„Ich glaube an nichts, es sei denn, es steht in der Zeitung. Du kennst ja die erste Regel des Journalismus. Achte auf deine Quelle.“
Julias Gedanken überschlugen sich aufgrund dieser neuen Information. T. L. Snead hatte die Ermittlung um das Verschwinden ihres Vaters geleitet, eine Ermittlung, die man bestenfalls als planlos bezeichnen könnte. Hatte Snead den Schrank ihres Vaters durchsucht und dabei die losen Bretter übersehen? Oder hatte er sie wohl absichtlich ignoriert?
Oder vielleicht hatte Snead den Ring selbst dorthin gelegt? Diesen Gedanken behielt Julia für sich. Sie wollte nicht, dass Sue sie für paranoid oder wahnhaft hielt.
Und die Scheune? Die Scheune war ein Teil der Umgebung, die hätte durchsucht werden müssen. Wenn Julia dort missbraucht wurde, dann wären sicher Spuren übriggeblieben, zum Beispiel Blutstropfen, Fußabdrücke oder eine Spur zertretenes Gras in der Wiese. Die Polizei hätte die ganze Nachbarschaft überprüfen sollen. Hatte Snead die Verantwortung für die Durchsuchung der Scheune übernommen, weil er wusste, dass aufgrund eines negativen Berichts mögliche Beweise verborgen blieben?
Nein, das ist Blödsinn. Rich O’Dell hat Unrecht. Die Polizei wird nicht von Satan beherrscht. Die Polizisten haben ihre Seele nicht an den Teufel verkauft und arbeiten nicht heimlich für das Böse unter dem Deckmantel von Gesetz und Ordnung.
Wenn Menschen ihre Seele verkaufen könnten und Satan tatsächlich der Herrscher der Welt wäre, dann würde ein Bulle ziemlich sicher eine besser bezahlte und weniger gefährliche Arbeit fordern. Wenn jedoch ein Mensch wirklich an die Existenz von Satan glaubte, dann würde ein so williger Sklave die vom „Meister“ geforderte Arbeit erledigen. Religiöse Fanatiker hatten seit eh und je die wahnsinnigsten Taten ausgeführt, von der Selbstzüchtigung mit Peitschen zum Tragen von Büßerhemden und dem Streuen von Asche aufs Haupt bis hin zu den Selbstmordattacken gegen die so genannten Ungläubigen.
Andererseits, wenn Satan seine dunklen Geschäfte in der Welt verbreiten wollte, dann würde er doch eher zuerst die Gesetze und die Vollstrecker der Gesetze korrumpieren.
„Woran denkst du?“ frage Sue. Sie schaute vom Computer auf und lehnte sich im Stuhl zurück.
„Wie viele ungeklärte Mordfälle hast du behandelt, seit du hier arbeitest?“
„Na, ja, in den letzten zwölf Jahren vielleicht acht oder zehn. Mord ist eines der Verbrechen, das sich am leichtesten aufklären lässt. Die Idioten haben beinahe immer ein offensichtliches Motiv, ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht. Man muss nur die Stücke des Puzzles richtig zusammensetzen.“
„Und die acht oder zehn ungelösten Fälle?“
„Lass mich mal sehen.“ Sue verließ den Arbeitsplatz und bahnte sich einen Weg durch die geschäftige Redaktion. Als sie weg war, schaute ein Mann mit grau melierten Haaren die vor dem Computer sitzende Julia finster an. Sie wandte den Blick ab, worauf er verschwand.
Sue kam nach wenigen Minuten mit einem neuen braunen Ordner
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