Der Schädelschrank
Mögliche erlebt hatte.
»Ich möchte Sie bitten, den Kofferraum zu öffnen«, wiederholte mein uniformierter Kollege.
»Und dann?«
»Öffnen Sie!«
»Sagen Sie mir, was Sie suchen, verdammt!« Der Späthippie schüttelte den Kopf. »Ich transportiere keinen Stoff. Zwar sehe ich so aus, als würde ich es tun, aber diese Zeiten sind ein für alle Mal vorbei. Dabei bleibt es, ob Sie es wollen oder nicht.«
»Öffnen!« Der Kollege blieb unerbittlich.
Ich stand in der Nähe. Der Späthippie warf mir einen Blick zu, als wäre ich persönlich schuld an seinem Elend. Eigentlich hätte ich ja einsteigen und wegfahren können, doch irgendetwas hielt mich zurück. Den Grund konnte ich selbst nicht nennen, aber er war vorhanden. So blieb ich erst mal stehen – in einiger Entfernung, um die Kollegen bei ihrer Kontrolle nicht zu stören.
Der Späthippie stand vor dem Kofferraum. Zwei Uniformierte flankierten ihn. Ich hatte das Gefühl, als hätte sich die Luft mit einer gewissen Spannung gefüllt. Die Szene erinnerte mich an einen Filmdreh, bei dem die Crew darauf wartete, dass der Regisseur das Zeichen gab, um wieder in Aktion zu treten.
»Machen Sie schon auf!«, forderte der Polizist.
»Ja, das werde ich auch. Aber ich kann Ihnen gleich sagen, dass der Inhalt nicht so schlimm ist, wie er aussieht.«
Ich runzelte die Stirn, nachdem ich die Worte gehört hatte. Das klang alles sehr kryptisch, und ich war gespannt, was letztendlich zum Vorschein kommen würde.
Der Deckel sprang hoch.
»Gehen Sie zur Seite, Mr. Young«, bat der Uniformierte.
»Bitte.«
Ich schaute, wie der Fahrer seine Schultern anhob. Dann trat er nach rechts weg, um den Kollegen freie Sicht zu geben. Ich stand zu weit weg, um einen Blick in den Kofferraum zu werfen, hörte aber die Reaktion.
»Mein Gott, was haben Sie denn da?«, wollte der Polizist wissen.
»Trödel, den keiner sonst haben will. Aber ich kann ihn verkaufen.«
Zwei Kollegen beugten sich vor. Es war damit zu rechnen, dass der Fahrer den Kofferraum ausräumen musste. Das würde dauern, aber die Polizisten hatten damit gerechnet, und so traten die anderen Kollegen in Aktion, die weiter vorn die nächsten Autos stoppten.
»Verdammt, was ist das?«
Sogar ich zuckte zusammen, als ich den Satz hörte. Der Späthippie stand auf der Stelle und hob seine Schultern. »Wie gesagt, lassen Sie sich nicht beirren. Ich bin Trödler.«
Bisher hatte ich mich im Hintergrund gehalten. Jetzt war meine Neugierde gewachsen. Ich ging auf den Wagen zu und warf ebenfalls einen Blick in den Kofferraum.
Auf dem Gepäck stand wie bewusst präsentiert ein Gegenstand, mit dem auch ich nicht gerechnet hatte.
Es war ein Totenschädel!
***
In den folgenden Sekunden sprach niemand von uns. Jeder schaute sich den Schädel an, der im Licht der Kofferraumbeleuchtung ein unwirkliches Aussehen erhalten hatte. Da floss etwas Helles über ihn weg und versuchte auch, in die leeren Augenhöhlen zu tauchen, sodass der Totenschädel einen fast überirdischen Glanz abgab.
Der Trödler hielt sich dabei in unserem Rücken auf und sprach mehr mit sich selbst. Ich wurde von einem Kollegen angesprochen. »Glauben Sie, dass so etwas normal ist, Sir?«
»Ich weiß es nicht. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Mann einen besonderen Beruf hat. Trödler oder wie auch immer. Das sind schon komische Käuze.«
»Wenn Sie das sagen, Sir...«
Ich hatte den Satz so einfach dahin gesprochen, aber in meinem Innern sah es schon anders aus. Okay, ich will keinen mit der inneren Stimme langweilen, die mich auf irgendeine Art und Weise warnte, aber geheuer war mir das alles nicht. Der andere Kram interessierte mich nicht. Da gab es noch eine kleine Bank und zwei Spiegel, die in Wolldecken eingeschlagen worden waren. Was auf dem Rücksitz lag, hatte ich nur mit den Blicken gestreift. Es waren zwei verschlossene Koffer.
Ich nahm den Schädel hoch. Okay, ich will mich nicht eben als großen Schädelfachmann bezeichnen, bei diesem ging ich jedoch davon aus, dass er echt war. Zu oft hatte ich bereits mit Totenschädeln und auch Gerippen zu tun gehabt, sodass ich da durchaus Bescheid wusste.
Dieser Kopf war echt!
Er lag auf meiner linken Handfläche. Ich klopfte gegen das Gebein und vernahm den typischen Klang, der ein leicht hohles Echo erzeugte. Ich drehte den Kopf, schaute von unten her in ihn hinein und bemerkte plötzlich, dass Suko an meiner Seite stand.
»Probleme, John?«
»Nein, noch nicht.«
»Aber...?«
Ich lachte
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