Der Schädelschrank
so etwas wie ein Lächeln. »Ein komischer Kauz ist das.«
»Wen meinst du?«
»Eigentlich beide.«
»Stimmt«, sagte ich. »Aber Menschen sind eben verschieden.«
»Du hast doch auch ein ungutes Gefühl.«
»Stimmt leider.«
»Aber es hat sich nicht bestätigt.«
»Bisher noch nicht.«
Samson selbst öffnete die beiden Hälften der hinteren Ladetür. Der Einsatzleiter, Young, Suko und ich schauten dabei zu. Wir wunderten uns, dass im Wagen sogar die Beleuchtung anging. Der Schrank war nicht zu übersehen, doch wir sahen nur die Seite. Anders hatte man das Möbel nicht hineinstellen können.
»Das ist er«, sagte der paffende Young.
»Genau«, murmelte ich. »Nur würde ich gern auch in die Schubladen sehen.«
Young fing an zu lachen. »Da müssen Sie sich schon hineinquetschen, meine Herren.«
Ein Vergnügen würde es nicht werden, das stand fest. Und ich wäre auch nicht in der Lage gewesen, eine der Laden zu öffnen.
»Wir können ihn auch ausladen«, schlug der Trödler vor.
Ich winkte ab. »Nein, nein lassen Sie das mal. Sollte sich unser Interesse steigern, können wir Sie ja persönlich besuchen.«
»Immer zu Diensten«, erklärte Young und deutete eine Verbeugung an, bevor uns seine Karte gab.
»Danke.« Ich steckte sie in meine rechte Jackentasche.
Da der Schrank nur unzureichend gesichert war, hatte Samson Quirl so langsam fahren müssen. Er bekam zwar kein Fahrverbot, aber einige Ermahnungen mit auf den Weg.
Sein Chef trat den Rest seiner Zigarre aus und nickte uns zu. »Sind Sie jetzt zufrieden?«
»Ich denke schon.«
»Dann kann ich fahren.«
»Dagegen habe ich nichts.«
Nebeneinander gingen wir zu seinem Wagen. Die Haube des Kofferraums stand noch immer offen. In ihm hatte sich nichts verändert. Auch der Totenschädel war noch vorhanden.
Ich trat nahe an ihn heran, weil mir etwas aufgefallen war. Zunächst glaubte ich an eine optische Täuschung, und deshalb zwinkerte ich einmal kräftig.
Direkt vor dem offenen Kofferraum blieb ich stehen.
Ich schaute auf den Totenkopf.
Ja, es stimmte.
Er hatte seine Farbe gewechselt. Das Gebein war nicht mehr bleich. Jetzt leuchtete es in einem fahlen Grün...
***
Auch für mich gibt es Augenblicke, in denen ich die Welt nicht mehr so richtig verstehe. Die knochige Bleichheit war verschwunden. Der Schädel sah nicht mehr so aus, als bestünde er aus einem normalen Gebein, er wirkte tatsächlich so, als hätte jemand mit einem grünen Pinsel kurz darüber hinweggestrichen und ihm eine andere Bemalung gegeben.
Ich bewegte mich nicht, denn mit dieser Überraschung hatte ich nicht gerechnet. Dabei kam ich mir von einer ungewöhnlichen Stille gefangen vor, die schließlich von Suko’s Frage unterbrochen wurde.
»War der Schädel nicht eben noch knochenweiß!«
»Das war er wohl.«
»Und jetzt.«
Ich deutete auf ihn. »Siehst du doch.«
»Dann bin ich also nicht farbenblind.«
»Bestimmt nicht.«
Da sich der Trödler in der Nähe aufhielt, wandte ich mich an ihn. »Sie sehen das Gleiche wie mein Kollege und ich?«
»Ja, er hat die Farbe gewechselt.«
»Können Sie uns eine Erklärung geben?«
»Nein, das kann ich nicht.«
»Aber Ihnen gehört der Schädel.«
»Ja, aber ein heller und kein grüner. Ich kann Ihnen wirklich keine Antwort darauf geben, verdammt. Ich weiß nicht, wie es dazu kommen konnte. Da bin ich überfragt.«
Es war ein Phänomen, und mein Verdacht, den ich schon länger gespürt hatte, nahm allmählich Konturen an. Mit diesem Schädel war etwas nicht in Ordnung. Aus einem Schrank war er geholt worden, aber jetzt sah er unnormal aus.
Ich denke, dass wir diesem Phänomen nachgehen sollten«, schlug ich vor.
»Aber wieso?«
»Ich werde ihn konfiszieren, Mr. Young.«
»Sie wollen ihn mitnehmen?«, fragte er entgeistert.
»So ist es.«
Er protestierte. »Aber er gehört mir. Sie können ihn nicht einfach wegnehmen und...«
»Wir stehlen ihn nicht, Mr. Young. Wir wollen ihn nur beschlagnahmen, das ist alles.«
»Kriege ich ihn zurück?«
»Wir werden sehen.«
»Mann, Sie sind gut. Der bringt mir Geld, das ich brauchen kann. Bei Sammlern ist er einiges wert.«
»Sie bekommen ihn zurück, sollte sich herausstellen, dass mit ihm alles in Ordnung und er harmlos ist.« Suko schaute dem Händler nach diesem Satz so hart in die Augen, dass der Mann die Schultern anhob und Ruhe gab.
Ich kümmerte mich weder um ihn noch um Suko. Für mich war nur dieser Schädel interessant.
Ich legte meine Hand auf ihn.
Beinahe
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