Der Schädelschrank
Gebäude aus Lügen langsam zusammenbrechen zu lassen.
»Ich warte auf die Antwort, Schönheit«, flüsterte er.
»Die kann ich dir nicht geben, Herr, denn...«
» Aber ich kann es.«
»Ja?«
Er nickte. »Ich habe sogar mit ihm gesprochen.« Erneut schnalzte er mit der Zunge. »Und es war ein sehr gutes Gespräch, kann ich dir sagen, Schönheit.«
Plötzlich war ihr Mund verschlossen. Sie wusste genau, welchen Weg der Inquisitor eingeschlagen hatte. Er gaukelte ihr eine trügerische Sicherheit vor. Seine wahren Absichten hielt er verschleiert und hinter diesem Grinsen versteckt. »Ich... ähm... bin ja nicht dabei gewesen. Deshalb kann ich dazu nichts sagen.«
»Das weiß ich.«
»Wo hast du ihn denn gesprochen, Herr?«
»Hier in meinem Haus.«
Sabrina erschrak. »Er war hier?«
»Wenn ich es dir sage.«
»Ja, ja, das glaube ich schon. Hast du ihn herbestellt?«
»Nein, Schönheit, das habe ich nicht. Ich habe deinen Bruder«, er betonte das letzte Wort besonders, »herbringen lassen, weil ich mit ihm sprechen wollte. Um mein Anliegen zu unterstreichen, habe ich den Henker zu ihm geschickt. Und erst danach konnte ich mit deinem Bruder reden. Es war ein sehr interessantes Gespräch.«
Sabrina merkte, dass ihr die Felle wegschwammen. Sie hatte sich wie im Himmel gefühlt, doch jetzt befand sie sich auf der Rutschbahn in die Hölle.
Obwohl der Mann so nahe vor ihr saß, verschwamm er vor ihren Augen. Hätte es irgendwo Griffe gegeben, sie hätte sich daran festgehalten. So aber gab es keine, aber sie fiel trotzdem nicht, denn der Inquisitor griff zu.
»Bitte, was ist denn, Schönheit?«, fragte er.
»Ach, nur ein leichter Schwindel, nicht mehr. Wirklich nicht. Mach dir keine Gedanken, Herr.«
»Doch, doch, das tue ich. Das muss ich sogar. Ich will ja Klarheit haben, und es wird dich bestimmt freuen, wenn du hörst, dass dein Bruder noch hier ist.«
Erneut erwischte sie ein tiefer Schreck, denn die letzte Antwort konnte alles bedeuten.«
»Hier...?«, dehnte sie.
»Ja, hier, meine Liebe.«
»Wo denn?«
»Nebenan.«
»Aha...« Plötzlich saß ihre Kehle zu. Sie fühlte sich wie auf einer heißen Herdplatte hockend, deren Glut sie allmählich von innen verbrennen sollte.
»Willst du ihn sehen?«
Es war ihr nicht mehr möglich zu reden. Der Mann erwartete jedoch eine Antwort, und so nickte sie.
»Dann komm...«
Sabrina hatte den Befehl gehört. Aber sie fühlte sich in diesen Momenten einfach zu schwach, um aufzustehen. Ein Anfall von Angst schüttelte sie durch. Obwohl sie saß, bekam sie weiche Knie, und auf ihrer Stirn erschien der Schweiß wie von selbst.
»Was ist los mit dir, Schönheit?« Seine Stimme klang plötzlich lauernd. »Geht es dir nicht gut?«
»Doch, doch, das schon. Es geht mir ja gut. Es geht mir sogar sehr gut. Ich habe nur im Augenblick... ich... ich fühle mich etwas schwach. Verstehst du?«
»ja, das kann ich verstehen. Es ist alles so anders für dich. Du bist sicherlich überrascht, etwas von deinem Bruder hier zu hören, und wenn du ihn gleich siehst, wirst du bestimmt von der Freude überwältigt werden, denke ich. Mann soll seine Geschwister doch lieben, sag ich mal. Oder findest du nicht?«
»Ja, das soll man!«, presste sie hervor.
»Dann will ich dir deinen Rene nicht vorenthalten. Lass uns zu ihm gehen.«
Sie konnte sich nicht erheben. Zumindest nicht aus eigener Kraft. Aber sie versuchte es. Ihre Arme zitterten ebenso wie die Beine. Wenn sie einatmete, tat ihr die Brust weh. Dann stand sie und erlebte das leichte Schwindelgefühl.
»Nun komm mit...«
»Danke, danke...«
Der Inquisitor fasste nach ihrer Hand, um sie zu stützen. Es war nicht weit bis zu der offen stehenden Tür, die sie durchschreiten mussten, um in das andere Zimmer zu gelangen.
Jeder Schritt wurde für Sabrina zu einer Qual. Sie schaute stur nach vorn, da sie das Gesicht des Inquisitors nicht sehen wollte. Sie konnte sich vorstellen, was sich darin abspielte. Da würde sich der Triumph festgesetzt haben, denn in diesem Spiel gab es nur einen Sieger, und sie hatte verloren.
Dennoch hob Sabrina den Kopf an, als sie einen ersten Blick in das Arbeitszimmer werfen konnte. Viel sah sie nicht. Ihr Blick fiel auf ein Möbelstück, das innerhalb des Raums beherrschend war und fast eine Seite der breiten Wand einnahm.
Das war der Schrank!
Er setzte sich aus einem Ober- und einem Unterteil zusammen, und beide Hälften waren mit zahlreichen Schubladen bestückt, die geschlossen waren. In der
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