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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Rodin war sofort hellwach, griff nach der Pistole unter seinem Kopfkissen und wollte mit einem Satz aus dem Bett springen. Dann sah er das Gesicht des Ex-Fremdenlegionärs über sich und atmete erleichtert auf. Ein Blick auf seine Armbanduhr belehrte ihn, daß er ohnedies verschlafen hatte. Nach all den in den Tropen verbrachten Jahren war er es gewohnt, zu einer sehr viel früheren Stunde aufzuwachen, und die römische Augustsonne stand schon hoch über den Dächern. Aber die wochenlange Untätigkeit, der gesteigerte Rotweinkonsum und der Mangel an körperlicher Bewegung hatten ihn träge und schläfrig gemacht.
    »Eine Meldung, mon Colonel. Eben hat jemand angerufen. Schien es eilig zu haben.«
    Der Legionär reichte ihm einen aus seinem Meldeblock herausgerissenen Zettel, auf dem Valmys Botschaft gekritzelt war. Rodin überflog sie und sprang dann aus dem nur mit einer leichten Decke versehenen Bett. Er hüllte sich in den Sarong, den zu tragen er sich in Indochina angewöhnt hatte, und las Valmys Meldung ein zweites Mal.
    »Schon gut. Abtreten.« Der Legionär verließ das Zimmer und begab sich wieder in das daruntergelegene Stockwerk.
    Rodin stieß eine Serie stummer Flüche aus und zerknüllte wütend den Zettel in seiner Hand. Ein schwachsinniger Idiot, dieser verdammte Kowalsky!
    In den ersten beiden Tagen nach Kowalskys Verschwinden hatte er zunächst angenommen, der Mann sei ganz einfach desertiert. Im gleichen Maß, in dem sich unter den Mannschaften die Überzeugung verbreitete, daß die OAS versagt habe und ihr Ziel, de Gaulle zu beseitigen und die gegenwärtige Regierung Frankreichs zu stürzen, nie erreichen würde, mehrten sich in letzter Zeit die Fälle, in denen OAS-Männer der Sache untreu wurden. Von Kowalsky allerdings hatte er immer angenommen, daß er bis zum letzten Atemzug loyal bleiben würde. Und hier lag nun der Beweis vor, daß er aus irgendeinem unerklärlichen Grund nach Frankreich zurückgekehrt oder auch in Italien ergriffen und nach Frankreich verschleppt worden war. Offenbar hatte er ausgepackt, unter Druck selbstverständlich.
    Der Tod seiner Ordonnanz betrübte Rodin aufrichtig. Zu einem nicht geringen Teil beruhte sein Ruf als Truppenoffizier auf der unermüdlichen Fürsorge, die er seinen Untergebenen gegenüber bewiesen hatte. Eine solche Einstellung wird von kämpfenden Soldaten weit mehr anerkannt, als Militärtheoretiker sich das träumen lassen. Nun war Kowalsky tot, und Rodin machte sich über die Art, wie er gestorben war, keine Illusionen.
    Weit wichtiger als alles andere war jetzt allerdings die Frage, was genau Kowalsky zu erzählen gehabt hatte. Die Zusammenkunft in Wien, der Name der Pension. Die drei Männer, die an der Besprechung teilgenommen hatten. Das war keine Neuigkeit für den SDECE. Aber was hatte er über den Schakal gewußt? Daß er nicht an der Tür gelauscht hatte, stand fest. Er mochte ihnen von einem hochgewachsenen, blonden Ausländer erzählt haben, der die drei Männer in der Pension aufgesucht hatte. Für sich genommen, besagte das gar nichts. Der Ausländer konnte ebensogut ein Waffenhändler gewesen sein oder ein Geldgeber. Namen waren nicht genannt worden.
    Aber Valmys Meldung erwähnte den Decknamen des Schakals. Wie hatte Kowalsky ihnen den nennen können?
    Plötzlich fiel Rodin wieder ein, was sich beim Weggang des Schakals abgespielt hatte, und ein tödlicher Schrecken durchzuckte ihn. Er hatte mit dem Engländer in der offenen Tür gestanden, und der Pole, noch immer verstimmt, weil er von dem Engländer im Alkoven entdeckt worden war, ein paar Schritte entfernt auf dem Korridor, auf Ärger gefaßt, ja ihn herbeiwünschend. Und was hatte er, Rodin, gesagt? »Bonsoir, Mister Schakal.« O verflucht, genau das waren seine Worte gewesen. Aber dann fiel ihm ein, daß Kowalsky den Klarnamen des Engländers nie erfahren haben konnte. Er war nur Montclair, Casson und ihm selbst bekannt. Dennoch hatte Valmy recht. Wenn dem SDECE Kowalskys Geständnis vorlag, war der Schaden schon zu groß, als daß er noch hätte repariert werden können. Sie hatten Kenntnis von der Besprechung in Wien, sie wußten den Namen der Pension, und wahrscheinlich hatten sie auch schon mit dem Portier gesprochen. Sie besaßen eine Personenbeschreibung des Mannes und kannten seinen Decknamen. Es konnte keinen Zweifel darüber geben, daß sie erraten würden, was schon Kowalsky erraten hatte - daß der blonde Mann ein Killer war. Von da ab würde das Netz der zum

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