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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal
Autoren: Frederick Forsyth
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hatte. Seine Zuhörer schauten ihn perplex an.
    »Woher wollen Sie das wissen?« fragte Max Fernet.
    Lebel blinzelte mehrmals ganz rasch.
    »Ich muß um Entschuldigung bitten. Es war schon sehr dumm von mir, das nicht eher zu erkennen. Seit einer Woche ist mir klar, daß der Schakal einen Plan besitzt und den Tag für die Ermordung des Präsidenten längst bestimmt hat. Warum hat er sich, als er Gap verließ, nicht sofort als Pastor Jensen verkleidet? Warum ist er nicht nach Valence gefahren und hat gleich den Expreßzug nach Paris genommen? Warum hat er sich, nachdem er nach Frankreich eingereist war, noch eine ganze Woche lang die Zeit vertrieben? «
    »Nun, warum?« fragte jemand.
    »Weil er sich für einen bestimmten Tag entschieden hat«, sagte Lebel. »Er weiß, wann er losschlagen wird. Kommissar Ducret, hat der Präsident heute, morgen oder am Samstag irgendwelche Verpflichtungen außerhalb des Palastes?«
    Ducret schüttelte den Kopf.
    »Und was ist für Sonntag, den 25. August, vorgesehen?« fragte Lebel.
    Rund um den langen Tissch war ein Seufzen vernehmbar, das klang, als sei ein Windstoß in ein Getreidefeld gefahren.
    »Der Befreiungstag natürlich«, rief der Minister aus. »Und das Verrückte an der Sache ist, daß die meisten von uns jenen Tag, den Tag der Befreiung von Paris, 1944 mit ihm zusammen erlebt haben.«
    »Genau«, sagte Lebel. »Er ist wahrhaftig kein schlechter Psychologe, unser Schakal. Er weiß, daß es einen Tag im Jahr gibt, den General de Gaulle niemals irgendwo anders als in Paris verbringen wird. Es ist sozusagen sein großer Tag. Und dieser Tag ist es, auf den der Mörder gewartet hat.«
    »In dem Fall«, erklärte der Minister zuversichtlich, »haben wir ihn. Ohne seine Informationsquelle findet er keinen Winkel in ganz Paris, wo er sich verstecken könnte, keine Gemeinschaft von Parisern, die ihm, und sei es unwissentlich, Unterschlupf und Schutz gewähren würde. Wir haben ihn. Kommissar Lebel, nennen Sie uns den Namen dieses Mannes.«
    Claude Lebel stand auf und ging zur Tür. Die anderen erhoben sich ebenfalls und waren im Begriff, sich zum Essen zu begeben.
    »Oh, sagen Sie mir doch eines«, rief der Minister Lebel nach.
    »Wie sind Sie eigentlich darauf gekommen, das Telephon in Oberst Saint Clairs Privatwohnung abzuhören?«
    »Ich bin nicht darauf gekommen«, sagte er, »und habe deswegen gestern nacht bei Ihnen allen das Telephon anzapfen lassen. Guten Tag, meine Herren.«
    Am gleichen Nachmittag um 5 Uhr kam dem Schakal, als er, eine dunkle Brille, wie sie hier jedermann trug, vor den Augen, bei einem Glas Bier auf einer Cafeterrasse an der Place de l'Odéon saß, die rettende Idee. Er verdankte sie dem Anblick zweier Männer, die auf dem Bürgersteig vorüberschlenderten. Er zahlte sein Bier, stand auf und ging. Hundert Meter weiter fand er, was er suchte - einen Schönheitssalon für Damen. Er betrat den Laden und tätigte ein paar Einkäufe.
    Um sechs änderten die Abendzeitungen ihre Schlagzeilen. Die Spätausgaben trugen in fetten Balken die Überschrift: »Assassin de la Belle Baronne se réfugie à Paris«. Darunter prangte ein vor fünf Jahren auf einer Party in Paris aufgenommenes Photo der Baronin de la Chalonnière. Es war im Archiv einer Bildagentur ausgegraben worden, und alle Blätter brachten das gleiche Photo.
    Mit einem Exemplar des »France-Soir« unter dem Arm betrat Oberst Rolland um 18 Uhr 30 ein kleines Café nahe der rue Washington. Der Barmann mit dem blauschwarzen Schimmer auf Kinnlade und Wangen sah ihn scharf an und nickte dann einem anderen Mann im hinteren Teil des Cafés zu.
    Der zweite Mann kam herangeschlendert und trat auf Rolland zu.
    »Oberst Rolland?«
    Der Chef des Aktionsdienstes nickte.
    »Bitte folgen Sie mir.«
    Er führte den Oberst durch die Hintertür des Cafés und über eine Treppe in ein kleines Wohnzimmer im ersten Stock hinauf, das vermutlich zu den Privaträumen des Cafebesitzers zählte. Er klopfte, und eine Stimme rief: »Entrez.«
    Als sich die Tür hinter ihm schloß, drückte Rolland die ausgestreckte Hand des Mannes, der sich aus einem Sessel erhoben hatte.
    »Oberst Rolland? Enchanté. Ich bin der Capu der Union Corse. Ich höre, daß Sie einen bestimmten Mann suchen… «Es war 20 Uhr, als Lebel der Anruf aus London durchgestellt wurde. Superintendent Thomas' Stimme klang müde.
    Es war kein leichter Tag für ihn gewesen. Einige Konsulate hatten sich entgegenkommend gezeigt, andere in der Zusammenarbeit als
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