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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal
Autoren: Frederick Forsyth
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Reisetasche, in die er die zum Make-up benötigten Artikel gesteckt hatte, bei sich.
    Mit diesen beiden Gepäckstücken und noch immer im schwarzen Anzug - unter dem er jedoch einen Rollkragenpullover trug, der den steifen weißen Kragen und das schwarze Plastron verdeckte -, betrat er ein schäbiges kleines Hotel gleich um die Ecke vom Bahnhof. Der Portier ließ ihn das Meldeformular selbst ausfüllen und war zu träge, die Eintragungen, wie es die Vorschrift bestimmte, mit den Angaben im Paß zu vergleichen.
    Oben in seinem Zimmer begann der Schakal sofort, sich Gesicht und Haar herzurichten. Der graue Farbton wurde mit Hilfe eines Lösemittels herausgewaschen und das jetzt wieder blonde Haar kastanienbraun gefärbt. Die blauen Kontaktlinsen brauchten nicht entfernt zu werden, aber die goldgeränderte Brille wurde durch eine schwere Hornbrille ersetzt. Die schwarzen Schuhe, die Socken, das Hemd, das Plastron und der Anzug des Geistlichen wanderten zusammen mit dem Paß von Pastor Jensen aus Kopenhagen in den Koffer. Statt dessen zog er die Socken, die Jeans, das T-Shirt, die Sneakers und die Windjacke des amerikanischen College-Boys aus Syracuse im Staat New York an.
    Gegen 11 Uhr war er zum Aufbruch bereit. In der linken Brusttasche seiner Windjacke steckte der Paß des Amerikaners, in der rechten ein Packen französischer Banknoten. Den Koffer mit den Sachen Pastor Jensens stellte er in den Garderobenschrank, den Schrankschlüssel warf er in den Abfluß des Bidets. Er verließ das Hotel über die Feuerleiter und gab die Reisetasche wenige Minuten später in der Gepäckaufbewahrung der Gare d'Austerlitz ab. Den Gepäckschein steckte er zu dem des Koffers in seine Gesäßtasche und machte sich auf den Weg. Er nahm ein Taxi, ließ sich zur Ecke des Boulevard Saint-Michel und der rue de la Huchette fahren und tauchte in den engen Gassen des vorwiegend von Studenten und anderen jungen Leuten bewohnten Quartier Latin unter.
    Als er in einer verrauchten Gastwirtschaft an einem der hinteren Tische Platz gefunden hatte, um ein billiges Mittagessen einzunehmen, begann er sich zu fragen, wo er die Nacht verbringen würde. Er bezweifelte nicht, daß seine Rolle als Pastor Jensen von Lebel inzwischen aufgedeckt worden war, und gab Marty Schulberg nicht mehr als vierundzwanzig Stunden.
    Verfluchter Hund, dieser Lebel, dachte er wütend, lächelte jedoch sofort, als die Kellnerin ihm strahlend die Karte reichte.
    »Danke, Honey.«
    Um 10 Uhr setzte sich Lebel nochmals mit Thomas in Verbindung. Seine Bitte entlockte diesem ein leises Stöhnen, aber er gab die Zusage, daß er alles tun würde, was in seiner Macht stünde.
    Als das Gespräch beendet war, bestellte Thomas den dienstältesten Inspektor, der in der vergangenen Woche in die Fahndung eingeschaltet gewesen war, zu sich.
    »Setzen Sie sich«, sagte er. »Die Franzmänner haben sich nochmals gemeldet. Er scheint ihnen wiederum entwischt zu sein. Jetzt ist er irgendwo in Paris, und sie befürchten, daß er eine weitere falsche Identität parat hat. Wir beide werden der Reihe nach alle hiesigen Konsulate anrufen und um eine Liste sämtlicher Pässe bitten, die seit dem 1.Juli von Ausländern als verloren oder gestohlen gemeldet wurden. Die Konsulate afrikanischer und asiatischer Staaten können Sie auslassen. Beschränken Sie sich auf die europäischen und amerikanischen Länder und nehmen Sie noch Australien und Südafrika hinzu. In jedem einzelnen Fall muß die Körpergröße des Paßinhabers aufgenommen werden. Alle Männer über einssiebzig sind verdächtig. Los geht's!« Die tägliche Besprechung im Ministerium war auf 14 Uhr vorverlegt worden.
    Lebel erstattete wie immer in seiner nüchtern-monotonen Weise Bericht. Die Reaktion der Konferenzteilnehmer war alles andere als freundlich.
    »Verflucht!« rief der Minister mitten im Vortrag aus. »Der Hund hat aber auch wirklich teuflisches Glück!«
    »Nein, Monsieur le Ministre, das hat nichts mit Glück zu tun. Oder doch nur sehr wenig. Er ist laufend über unsere Maßnahmen informiert worden - in jeder Phase. Das ist auch der Grund, weshalb er Gap in solcher Eile verlassen hat und sich nach dem Mord an der Frau in La Haute Chalonnière gerade noch rechtzeitig, bevor das Netz sich um ihn zusammenzog, aus dem Staub machen konnte.Abend für Abend habe ich in diesem Kreis über den jeweiligen Stand der Ermittlungen referiert. Dreimal standen wir kurz davor, ihn zu fassen. Heute morgen war es die Verhaftung Valmys und meine
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