Der Schakal
Fischerdorf nach England transferierte. Aber eigentlich doch ein recht sympathischer Typ. Jetzt änderte er seine Meinung.
»Voll und ganz, Monsieur«, sagte er.
Wenige Sekunden später war der Engländer in die Dunkelheit der Nacht hinausgetreten. Erst fünf Querstraßen weiter nahm er ein Taxi, das ihn zum Amigo zurückbrachte. Es war Mitternacht, als er dort ankam. Er ließ sich eine Flasche Mosel und ein kaltes Brathähnchen aufs Zimmer bringen, badete ausgiebig, um die letzten Spuren des Make-up zu beseitigen, und ging schlafen.
Am anderen Morgen zahlte er die Hotelrechnung und bestieg den Brabant-Expreß nach Paris. Es war der 22. Juli.
Um die gleiche Zeit saß der Chef des Aktionsdienstes des SDECE an seinem Schreibtisch und blickte auf die beiden Schriftstücke, die vor ihm lagen. Es handelte sich um Kopien zweier von Agenten oder anderen Dienststellen übermittelter Routineberichte. Beide trugen oben auf der Seite eine Verteilerliste mit den Namen der zu ihrer Lektüre autorisierten Abteilungschefs. Sie enthielten auch seinen eigenen Namen, der mit einem Kreuzchen versehen war. Beide Berichte waren an diesem Morgen eingetroffen, und normalerweise würde Oberst Rolland sie überflogen, ihren Inhalt irgendwo in seinem unglaublichen Gedächtnis gespeichert und die Berichte dann unter verschiedenen Stichwörtern abgelegt haben. Aber es hatte da einen Namen gegeben, der in beiden Berichten aufgetaucht war, einen Namen, der seine Aufmerksamkeit erregte. Bei dem Bericht, der zuerst eingetroffen war, handelte es sich um ein abteilungsinternes Memorandum von R 3 (Westeuropa), das die Zusammenfassung einer Meldung ihres ständigen Büros in Rom enthielt. Sie besagte, daß Rodin, Montclair und Casson noch immer in ihrer Zimmerflucht im obersten Stockwerk des römischen Hotels hockten, wo sie sich nach wie vor von acht Fremdenlegionären bewachen ließen. Sie hatten das Gebäude, seit sie am 18. Juni eingezogen waren, nicht ein einziges Mal verlassen. Aus Paris waren zusätzliche Beamte der Abteilung R 3 nach Rom beordert worden, um die dortigen Agenten bei der Tag und Nacht aufrechterhaltenen Überwachung des Hotels zu unterstützen. Die Anweisungen aus Paris lauteten unverändert dahingehend, daß nichts unternommen, die Beobachtung jedoch fortgesetzt werden solle. Drei Wochen zuvor hatten die Männer im Hotel ein bestimmtes Schema festgelegt, nach welchem sie die Verbindung mit der Außenwelt aufrechtzuerhalten pflegten (siehe R 3 / Rom-Bericht vom 30. Juni), und es seither beibehalten. Der Kurier war stets Viktor Kowalsky. Ende der Mitteilung.
Oberst Rolland nahm den ledernen Aktenordner zur Hand, der neben der abgesägten 10,5-cm- Granatenhülse lag, die ihm als Aschenbecher diente und schon jetzt von »Disque Bleue«- Stummeln halb gefüllt war, und schlug ihn auf. Sein Blick glitt rasch über die Zeilen des R 3 / Rom-Berichts vom 30. Juni, bis er den Absatz fand, den er gesucht hatte.
Täglich, so hieß es da, verließ einer der Wachtposten das Hotel und ging aufs Hauptpostamt.
Dort war ein offenes Poste Restante- Fach auf den Namen eines gewissen Poitiers reserviert. Die OAS hatte, offenbar aus Furcht, es könnte ausgeraubt werden, kein mit einem Schlüssel versehenes Postfach genommen. Die gesamte für die Männer an der Spitze der OAS bestimmte Post war an Poitiers adressiert und wurde vom diensttuenden Beamten am Poste Besfante-Schalter verwahrt. Ein Versuch, den Mann durch Bestechung dazu zu bewegen, die Post einem Agenten von R 3 auszuhändigen, schlug fehl. Der Beamte hatte seinen Vorgesetzten das ihm gestellte Ansinnen gemeldet und war durch einen dienstälteren Kollegen ersetzt worden. Möglich, daß die Post für Poitiers jetzt von der italienischen Sicherheitspolizei kontrolliert wurde, aber R 3 war angewiesen, sich nicht mit der Bitte um Zusammenarbeit an die Italiener zu wenden. Der Versuch, den Beamten zu bestechen, war zwar fehlgeschlagen, aber man hatte geglaubt, die Initiative ergreifen zu müssen. Jeden Tag wurde die über Nacht im Postamt eingetroffene Post dem Leibwächter ausgehändigt, der als ein Viktor Kowalsky, ehemaliger Korporal der Fremdenlegion und Angehöriger der von Rodin in Indochina geführten Kompanie, identifiziert war. Kowalsky mußte offenbar über entsprechende falsche Papiere, die ihn gegenüber dem Postamt als Poitiers .; auswiesen, oder über eine Vollmacht verfügen, die vom Postamt akzeptiert wurde. Wenn Kowalsky Briefe aufzugeben hatte, pflegte er neben dem
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