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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Lieferung.«
    Der Belgier erhob sich. »Dann machen wir jetzt am besten die Porträtphotos. Ich habe ein eigenes Studio.«
    Sie fuhren im Taxi zu einer etwa drei Kilometer entfernten kleinen Kellerwohnung, die sich als das verschmutzte, schäbige Atelier eines Photographen erwies, der laut Firmenschild darauf spezialisiert war, Paßphotos aufzunehmen, auf deren Entwicklung der Kunde warten konnte. Im Schaufenster prangten die unvermeidlichen Photos von jener Art, die der Passant für die Höhepunkte der bisherigen Arbeit des Inhabers halten mußte - zwei gräßlich retuschierte Porträts geziert lächelnder Mädchen, das Hochzeitsbild eines Paars, das unsympathisch genug aussah, um die Einrichtung der Ehe schlechthin in Frage zu stellen, und zwei Babyphotos. Der Belgier ging die Treppe hinunter zur Ladentür voran, schloß sie auf und führte seinen Gast hinein.
    Die Sitzung dauerte zwei Stunden, in denen der Belgier eine Geschicklichkeit im Umgang mit der Kamera bewies, wie sie der Schöpfer der im Fenster ausgestellten Photos unmöglich besitzen konnte. Eine große Kiste in der Ecke, die er mit seinem eigenen Schlüssel aufschloß, enthielt eine Anzahl teurer Kameras und Blitzlichtgeräte sowie Unmengen maskenbildnerischer Artikel einschließlich diverser Haarfärbe und Bleichmittel, Toupets und Perücken, ferner Brillen in großer Auswahl sowie einen Schminkkasten.
    Mitten in der Sitzung kam dem Belgier eine Idee, welche die Suche nach einem Ersatzmann, der für das endgültige Photo posierte, überflüssig machte. Während er die Wirkung der auf das Make-up des Schakals verwandten halbstündigen Arbeit studierte, begann er plötzlich in der Kiste zu kramen und holte eine Perücke hervor.
    »Was halten Sie hiervon?« fragte er. Die Perücke war eisengrau und en brosse geschnitten.
    »Meinen Sie, daß Ihr eigenes Haar, in dieser Länge geschnitten und in diesem Ton gefärbt, so aussehen könnte?«
    Der Schakal nahm die Perücke und sah sie sich näher an. »Wir können es ja versuchen und dann sehen, wie es auf dem Photo wirkt«, schlug er vor.
    Und es klappte. Nachdem er sechs Aufnahmen von seinem Kunden gemacht hatte, kam der Belgier mit einer Anzahl feuchter Abzüge aus der Dunkelkammer. Gemeinsam beugten sie sich über den Tisch, auf dem ihnen das Gesicht eines alten, erschöpften Mannes entgegenstarrte. Seine Haut war aschgrau, und die dunklen Ringe unter seinen Augen zeugten von Müdigkeit und Schmerz. Der Mann war bartlos, aber das graue Haupthaar ließ darauf schließen, daß er ein Fünfziger sein mußte, und noch dazu kein sonderlich robuster Fünfziger.
    »Ich glaube, es wird gehen«, meinte der Belgier. »Das Dumme ist nur, daß Sie eine halbe Stunde lang mit allen möglichen Kosmetika an mir herumarbeiten mußten, um diesen Effekt zu erzielen. Dazu kam dann noch die Perücke. Ich kann das unmöglich alles selbst schaffen. Dabei haben wir hier künstliches Licht, während ich die Papiere, die ich benötige, bei Tageslicht vorweisen muß.«
    »Aber genau das ist nicht der Punkt, um den es sich dreht«, erwiderte der Belgier rasch. »Es geht weniger darum, daß Sie nicht der genaue Abklatsch des Photos sind, sondern vielmehr darum, daß das Photo nicht der genaue Abklatsch von Ihnen ist. Das Gehirn eines Mannes, der Ausweise kontrolliert, arbeitet folgendermaßen: Zuerst sieht er dem Inhaber des Ausweises ins Gesicht, dann verlangt er die Papiere. Und dann schaut er sich das Photo an. Der erste Eindruck von dem Gesicht des vor ihm stehendenMannes hat sich ihm schon eingeprägt. Das beeinflußt sein Urteil. Er achtet auf übereinstimmende, nicht auf abweichende Details.
    Zweitens mißt dieser Abzug hier zwanzig mal fünfundzwanzig Zentimeter, während das Photo auf der Identitätskarte nicht größer als drei mal vier sein wird. Drittens sollte eine allzu genaue Ähnlichkeit vermieden werden. Wenn die Karte schon vor einigen Jahren ausgestellt wurde, ist es ganz ausgeschlossen, daß der Mann sich inzwischen kein bißchen verändert haben sollte. Auf dem Photo hier haben wir Sie in einem offenen gestreiften Hemd mit festem Kragen. Vermeiden Sie es zum Beispiel, dieses Hemd oder überhaupt Hemden mit offenem Kragen anzuziehen. Tragen Sie eine Krawatte, ein Halstuch oder einen Sweater mit Rollkragen.
    Und schließlich ist keine der Veränderungen, die ich an Ihnen vorgenommen habe, schwer zu simulieren. Die Hauptsache ist selbstverständlich das Haar. Es muß einen Bürstenschnitt bekommen und grau gefärbt

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