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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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diensttuenden Beamten, unter Umgehung des innerbehördlichen Protokolls, demzufolge Wien in der Zuständigkeit der Abteilung R 3/Westeuropa lag, ein Blitzfernschreiben an das Wiener Büro des SDECE zu richten. Dann verlangte er, daß ihm umgehend sämtliche Kopien der Niederschrift des Kowalskyschen Geständnisses ausgehändigt wurden, und schloß sie in seinen Safe ein. Schließlich setzte er sich, um einen Bericht abzufassen, auf dessen Adressatenliste er lediglich den Namen eines einzigen Empfängers aufführte. Er überschrieb den Bericht mit dem Vermerk »Nur für Sie bestimmt« und schilderte zunächst kurz die Aktion, die auf seine eigene Initiative stattgefunden hatte, um Kowalsky festzunehmen. Er erwähnte, wie der Ex-Legionär durch die Vorspiegelung, eine ihm nahestehende Person läge im Krankenhaus, nach Marseille gelockt worden war; berichtete sodann von Kowalskys Gefangennahme durch Agenten des Aktionsdienstes und ließ nicht unerwähnt, daß der Mann verhört worden war und ein wirres Geständnis abgelegt hatte. Er fühlte sich verpflichtet, die gewagte Erklärung einfließen zu lassen, der Ex-Legionär habe bei seiner Verhaftung Widerstand geleistet und dabei zwei Agenten erheblich verletzt, sich selbst aber bei einem anschließend versuchten Suizid so bedenklich zugerichtet, daß er nach seiner Überwältigung in das Gefängnishospital eingeliefert werden mußte. Dort, auf seinem Krankenbett, habe er dann sein Geständnis abgelegt.
    Der restliche Bericht betraf das Geständnis selbst und Rollands Interpretation desselben. Als er damit fertig war, pausierte er für einen Augenblick und ließ seinen Blick über die Hausdächer im Osten der Stadt schweifen, die jetzt vom Schein der Morgensonne vergoldet wurden. Rolland war sich seines Rufs, niemals zu übertreiben und grundsätzlich zu einer unterkühlten Darstellung der Dinge zu neigen, durchaus bewußt. Sorgfältig formulierte er den letzten Absatz seines Berichts:
    »Ermittlungen mit dem Ziel, beweiskräftiges Material für die Existenz dieser Verschwörung beizubringen, sind zur Stunde noch im Gange. Sollten sie den oben geschilderten Tatbestand als wahrheitsgemäß bestätigen, so handelt es sich bei dem erwähnten verbrecherischen Vorhaben meines Erachtens um den denkbar gefährlichsten Plan, den die Terroristen entwickeln konnten, um das Leben des Präsidenten der Republik Frankreich zu bedrohen. Falls der im Ausland geborene und nur unter dem Decknamen ›Der Schakal‹ bekannte Killer tatsächlich für diesen Anschlag auf das Leben des Staatspräsidenten gedungen und gegenwärtig bereits mit den zur Ausführung seiner Untat erforderlichen Vorbereitungen befaßt sein sollte, halte ich es für meine Pflicht, Sie davon in Kenntnis zu setzen, daß wir meinem Dafürhalten nach einen nationalen Notstand zu gewärtigen haben.«
    Ganz im Gegensatz zu seinen sonstigen Gepflogenheiten tippte Oberst Rolland die Reinschrift seines Berichts selbst, versah den Umschlag mit seinem persönlichen Siegel, adressierte ihn und drückte den Stempel mit der höchsten Sicherheitsklassifikation des Geheimdienstes darauf. Schließlich verbrannte er die Bogen, auf denen er den handschriftlichen Entwurf notiert hatte, und spülte die Asche in das Abflußrohr des Waschbeckens, das sich in einer Ecke seines Büros in einem Verschlag befand. Nachdem das getan war, wusch er sich Hände und Gesicht. Als er sich abtrocknete, fiel sein Blick auf den Spiegel über dem Waschbecken. Das Gesicht, das ihn daraus anstarrte, war, wie er bekümmert feststellte, nicht mehr das des erfolggewohnten Mannes, den die Frauen in seiner Jugend wie in seinen besten Jahren so anziehend gefunden hatten. Zu viele Erfahrungen, die allzu gründliche Kenntnis der Bestialität, welcher der Mensch seinem Mitmenschen gegenüber fähig war, sobald es für ihn um das nackte Überleben ging, zu viele Intrigen und Gegenintrigen, zu viele Befehle, mit denen er Männer zum Sterben oder zum Töten hinausgeschickt, in Kellern hatte verenden oder andere zu Tode foltern lassen, hatten sein Gesicht gezeichnet. Zwei scharfe Falten liefen von den Nasenflügeln abwärts bis weit über die Mundwinkel hinaus, dunkle Flecken schienen sich für immer unter den Augen abzeichnen zu wollen, und die dekorativen grauen Schläfen und Koteletten hatten begonnen, weiß zu werden.
    »Ende des Jahres«, gelobte er sich, »mache ich endgültig Schluß mit diesem mörderischen Beruf.« Hohläugig starrte ihn das Gesicht aus dem

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