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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Spiegel an. Skepsis oder Resignation? Vielleicht wußte es das Gesicht besser, als er es sich eingestehen wollte. Nach einer gewissen Anzahl von Jahren kam man von all dem nicht mehr los. Man blieb, was man geworden war, für den Rest seines Lebens. Von der Résistance zur Sicherheitspolizei, dann der SDECE und schließlich der Aktionsdienst. Wie viele Männer und wieviel Blut es in all den Jahren gekostet hatte - und alles für Frankreich. Und womit, fragte er das Gesicht im Spiegel, vergalt Frankreich es ihm? Das Gesicht im Spiegel sah ihn an und blieb stumm. Denn die Antwort darauf wußten sie beide.
    Oberst Rolland bestellte einen motorisierten Kurier, der sich persönlich bei ihm melden sollte.
    Er bestellte auch Spiegeleier, Brötchen und weiteren Kaffee - diesmal eine große Tasse café au lait - sowie Aspirintabletten gegen seine Kopfschmerzen. Er gab dem Motorradfahrer seine Anweisungen und händigte ihm den versiegelten Umschlag aus. Nachdem er die Spiegeleier und die Brötchen verzehrt hatte, nahm er seinen Kaffee und trank ihn am offenen Fenster der Westseite seines Büros, von der aus man auf Paris blickte. Über die Dächer des Häusermeers hinweg konnte er in dem warmen Morgendunst, der über der Seine hing, die Türme von Notre-Dame und in noch weiterer Ferne den Eiffelturm sehen. Es war bereits nach 9 Uhr, und die Stadt war an jenem 11. August wie immer um diese Stunde schon von geschäftigem Leben erfüllt. Ob er am Ende des Jahres noch eine Position innehaben würde, von der er sich günstig pensionieren lassen konnte, das, dachte Rolland, hing nicht zuletzt davon ab, ob die Gefahr abgewendet werden konnte, die er in dem Bericht beschrieben hatte, der jetzt in der Meldetasche des Motorradfahrers steckte.

NEUNTES KAPITEL
    Am späten Vormittag des gleichen Tages saß der Minister des Inneren an seinem Schreibtisch und starrte düster aus dem Fenster seines Arbeitszimmers in den sonnenbeschienenen runden Innenhof hinunter. Auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes sah man das schmiedeeiserne Portal mit dem Wappen der Republik Frankreich, und dahinter lag die Place Beauvau, in deren Mitte ein Polizist den ihn umtosenden Strom des Verkehrs aus der rue Faubourg St­Honoré und der Avenue de Marigny regelte.
    Aus der rue Miromesnil und der rue des Saussaies, den anderen beiden Straßen, die auf den Platz mündeten, brachen auf seinen Pfiff weitere Verkehrsströme hervor, schössen über die Place Beauvau hinweg und verebbten. Der Polizist schien die fünf tödlichen Pariser Verkehrsströme zu dirigieren wie ein Torero den Stier -selbstbewußt, überlegen und würdevoll. M. Roger Frey beneidete ihn um die Überschaubarkeit seiner Aufgabe und das gelassene Selbstvertrauen, mit dem er sie meisterte.
    An dem schmiedeeisernen Portal des Ministeriums standen zwei Gendarmen und bewunderten die Virtuosität ihres in der Mitte des Platzes postierten Kollegen. Sie trugen ihre umgehängten Maschinenpistolen auf dem Rücken und blickten, ihrer gesicherten Laufbahn mit dem festen Gehalt und ihres Platzes an der warmen Augustsonne gewiß, durch das schützende schmiedeeiserne Gitter in die Außenwelt hinaus. Der Minister beneidete auch sie um die Schlichtheit ihres Lebens und ihrer Ambitionen.
    Er hörte Papier rascheln und wandte sich auf seinem Drehstuhl wieder dem Schreibtisch zu. Durch den breiten Tisch von ihm getrennt, schloß der Mann, der ihm gegenübersaß, das Dossier und legte es vor den Minister auf den Schreibtisch. Die beiden Männer blickten einander stumm an. In der Stille waren nur das Ticken der feuervergoldeten Uhr auf dem Kaminsims und die gedämpft von der Place Beauvau herüberdringenden Straßengeräusche zu hören.
    »Nun, was halten Sie davon?«
    Kommissar Jean Ducret, Chef der persönlichen Sicherungsgruppe Präsident deGaulles, war einer der hervorragendsten Experten Frankreichs in allen Fragen der Staaatssicherheit, darunter insbesondere solchen, die den Schutz einer einzelnen hochgestellten Person vor Mordanschlägen betrafen. Da war der Grund, weshalb er diese Stellung innehatte, und das war auch der Grund, warum bis zu jenem Zeitpunkt sechs bekanntgewordene Mordverschwörungen gegen den Präsidenten entweder fehlgeschlagen waren oder rechtzeitig aufgedeckt werden konnten.
    »Rolland hat recht«, sagte er schließlich. Seine Stimme war sachlich und unbeteiligt, als gäbe er das zu erwartende Ergebnis eines Fußballspiels bekannt. »Wenn seine Vermutungen zutreffen, stellt die

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