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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Geheimnis hatten, von dem niemand etwas erfahren durfte. Rolland lächelte ironisch. Er hatte es besser gewußt als General Guibaud, der glaubte, daß Rodin sich verkroch, weil er Angst hatte.
    Sie hatten also ein Geheimnis zu bewahren. Was für ein Geheimnis? Es schien mit irgend etwas zu tun zu haben, was sich in Wien abgespielt hatte. Das Wort »Vienne« tauchte dreimal auf, aber Rolland hatte zunächst angenommen, es müsse sich um die dreißig Kilometer südlich von Lyon gelegene Stadt Vienne handeln. Vielleicht war gar nicht die französische Provinzstadt, sondern die österreichische Hauptstadt gemeint?
    Sie hatten in Wien eine Zusammenkunft gehabt. Dann waren sie nach Rom gegangen und hatten Vorkehrungen gegen die Möglichkeit getroffen, gekidnappt und so lange verhört zu werden, bis sie ihr Geheimnis preisgaben. Das Geheimnis mußte von Wien herrühren.
    Die Stunden verstrichen, und bald waren die Zigarettenstummel in der als Aschenbecher dienenden Granathülse nicht mehr zu zählen. Bevor der schmale Streifen von hellerem Grau sich über den düsteren Industrievororten abzuzeichnen begann, die östlich des Boulevard Mortier lagen, wußte Oberst Rolland, daß er auf der richtigen Spur war.
    Einzelne Stücke fehlten noch. Fehlten sie wirklich, waren sie für immer verloren, seit er gegen 3 Uhr morgens die telephonische Meldung entgegennahm, daß Kowalsky nie mehr würde verhört werden können, weil er tot war? Oder waren sie irgendwo in dem wirren Text dessen verborgen, was in Kowalskys bedrängtem Hirn vorging, als er die letzten Kraftreserven verbraucht hatte?
    Rolland begann die Stücke des Puzzlespiels zu notieren, die er noch nicht hatte unterbringen können. Kleist, ein Mann namens Kleist. Der Pole Kowalsky hatte das Wort richtig ausgesprochen, und Rolland, der von der Kriegszeit her noch über einige Deutschkenntnisse verfügte, notierte es sich in der korrekten Schreibweise, obwohl es von dem französischen Schreiber falsch buchstabiert worden war. Handelte es sich überhaupt um eine Person? Oder um eine Örtlichkeit, eine Firma oder .dergleichen? Er rief die Vermittlung an und gab Auftrag, im Wiener Telephonverzeichnis nach einer Person oder einer Örtlichkeit dieses Namens zu suchen. Die Antwort kam nach zehn Minuten. Es gab zwei Spalten mit dem Namen Kleist, allesamt Privatpersonen, ferner die Ewald-von-Kleist- Grundschule für Jungen und die Pension Kleist. Rolland schrieb sich beide auf, unterstrich aber die Pension Kleist. Dann las er weiter.
    In dem Text kamen mehrere Hinweise auf einen Fremden vor, dem gegenüber Kowalsky offenbar gemischte Gefühle hegte. Manchmal benutzte er das Wort »bon«, wenn er von ihm sprach, dann wieder nannte er ihn einen »facheur«, einen lästigen, zudringlichen Menschen. Kurz nach 5 Uhr morgens ließ sich Oberst Rolland Tonband und Gerät bringen und verbrachte die nächste Stunde damit, das Band mehrmals abzuhören. Als er das Gerät schließlich abschaltete, stieß er einen stummen Fluch aus. Dann nahm er einen dünnen Kugelschreiber zur Hand und korrigierte in dem transkribierten Text eine Anzahl offenkundig auf Hörfehler zurückgehender Wörter.
    Kowalsky hatte den Fremden nicht als »bon«, sondern als »blond« bezeichnet. Und das Wort, das ihm über die blutigen verschwollenen Lippen gekommen war, hieß nicht, wie der französische Schreiber notiert hatte, »facheur«, sondern »faucheur«, was soviel wie »Killer« bedeutet.
    Von da ab war es leicht, den Sinn der wirren Aussage Kowalskys zu rekonstruieren. Das Wort »Schakal«, das, wo immer es auftauchte, gestrichen worden war, weil Rolland es für ein Schimpfwort gehalten hatte, mit dem Kowalsky seine Peiniger bedachte, bekam eine neue Bedeutung. Es wurde zum Decknamen des blonden Killers, der Ausländer war und mit den drei OAS-Bossen drei Tage vor ihrer Abreise nach Rom in der Pension Kleist gesprochen hatte.
    Rolland konnte sich jetzt selbst zusammenreimen, warum Frankreich in den letzten acht Wochen von einer Welle organisierter Banküberfälle und Juwelendiebstähle heimgesucht worden war. Der Blonde, wer immer er sein mochte, verlangte Geld für den Job, den er im Auftrag der OAS übernommen hatte. Auf der ganzen Welt gab es nur einen einzigen Job, der diese Art der Finanzierung erforderlich machte. Der Blonde war nicht gerufen worden, um durch sein Eingreifen einen Bandenkrieg zu entscheiden.
    Um 7 Uhr früh ließ sich Rolland mit seiner Nachrichtenzentrale verbinden und befahl dem

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