Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
Vom Netzwerk:
Verschwörung in der Tat eine ungewöhnlich ernste Bedrohung dar. Alle Karteien und Listen der französischen Sicherheitsbehörden wie auch das ganze Netz der in die OAS eingeschleusten Agenten wären angesichts eines Außenseiters - noch dazu eines Ausländers -, der ohne Freunde und Kontakte, ganz allein und nur auf sich selbst gestellt, arbeitet, nutzlos. Wie Rolland ganz richtig schreibt« - er schlug die letzte Seite des vom Chef des Aktionsdienstes verfaßten Berichts auf und las laut daraus vor -, »handelt es sich um den ›denkbar gefährlichsten Plan‹ , den man sich nur vorstellen kann.«
    Roger Frey fuhr sich mit der Hand durch das kurzgeschnittene eisengraue Haar und drehte sich auf seinem Stuhl wieder dem Fenster zu. Er war ein Mann, den so leicht nichts aus der Ruhe brachte, aber am Vormittag dieses 11. August war er beunruhigt. In den langen Jahren, in denen er sich als ergebener Anhänger de-Gaulles um dessen Sache verdient machte, hatte er sich den Ruf erworben, daß hinter der Intelligenz und der liebenswürdigen Verbindlichkeit, die ihm zu dem Ministersessel verhelfen hatten, ein harter Mann steckte. Die strahlendblauen Augen, deren Blick von gewinnender Wärme zu eisiger Kälte wechseln konnte, die Männlichkeit des gedrungenen Oberkörpers mit den breiten Schultern und das gutgeschnittene, von rücksichtsloser Willenskraft zeugende Gesicht, das die bewundernden Blicke nicht weniger Frauen auf sich zog, welche die Gesellschaft mächtiger Männer zu schätzen wußten, alles das diente Roger Frey nicht als Ersatz für ein fehlendes Wahlprogramm.
    In den alten Zeiten, als die Gaullisten sich noch gegen die feindselige Haltung der Amerikaner, die Indifferenz der Briten, die Ambitionen der Giraudisten und die Skrupellosigkeit der Kommunisten durchsetzen mußten, hatte er seinen politischen Nahkampfstil entwickelt. Irgendwie hatten sie es geschafft, und zweimal innerhalb von achtzehn Jahren war der Mann, dem sie folgten, aus dem Exil zurückgekehrt, um die Macht in Frankreich wieder zu übernehmen. Und in den letzten beiden Jahren war der Kampf neuerlich ausgebrochen, diesmal gegen die Männer, die dem General zweimal den Weg zur Macht geebnet hatten. Bis vor wenigen Minuten hatte der Minister geglaubt, daß dieser letzte Kampf zu Ende ginge und sich die Feinde abermals in ohnmächtigem Haß und hilfloser Wut geschlagen geben würden.
    Jetzt wußte er, daß es noch nicht ausgestanden war. Ein magerer, fanatischer Oberst in Rom hatte einen Plan ausgeheckt, der das ganze Gebäude des Staates zum Einsturz bringen konnte, wenn er den Tod eines einzigen Mannes herbeiführte.
    Es gab Länder - das hatte Großbritannien vor achtundzwanzig Jahren bewiesen und sollte Amerika noch im gleichen Jahr ebenfalls beweisen -, deren Institutionen stabil genug waren, um sie den Tod ihres Präsidenten oder die Abdankung ihres Königs überstehen zu lassen. Aber Roger Frey war sich des Zustands der Institutionen Frankreichs im Jahre 1963 nur allzu bewußt, um sich keiner Täuschung darüber hinzugeben, daß der Tod des Präsidenten nichts anderes als den Auftakt für Putsch und Bürgerkrieg bedeuten konnte.
    »Nun«, bemerkte er schließlich, ohne den Blick von dem in gleißendem Sonnenlicht daliegenden Innenhof zu wenden, »er muß informiert werden.«
    Der Polizeibeamte schwieg. Es gehörte zu den Vorzügen, die der Beruf eines Spezialisten mit sich brachte, daß man seine Arbeit verrichtete und die wichtigen Entscheidungen denen überließ, die dafür bezahlt wurden, sie zu treffen. Der Minister wandte sich ihm wieder zu.
    »Bien. Merci, Commissaire. Dann werde ich den Präsidenten noch heute nachmittag um eine Audienz ersuchen und ihn unterrichten.« Die Stimme des Innenministers klang lebhaft und entschlossen. »Ich brauche Sie nicht erst zu bitten, absolutes Stillschweigen über diese Angelegenheit zu wahren, bis ich Gelegenheit gehabt habe, dem Präsidenten die Lage darzulegen, und er darüber entschieden hat, wie er die Sache gehandhabt wissen will.« Kommissar Ducret stand auf und verließ das Arbeitszimmer des Innenministers, um in sein keine hundert Schritte entferntes, auf der anderen Seite der rue Faubourg St-Honoré gelegenes Büro im Palast zurückzukehren. Wieder allein, las der Innenminister nochmals den Bericht durch. Er bezweifelte nicht, daß Rollands Einschätzung der Lage zutreffend war, und Ducrets übereinstimmende Beurteilung ließ ihm für eine lavierende Handhabung der Angelegenheit keinen

Weitere Kostenlose Bücher