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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Ordonnances eintreten zu lassen. Dann schloß er geräuschlos die Tür und begab sich gemächlichen Schrittes wieder treppabwärts in das Vestibül zurück.
    Durch die großen Südfenster auf der gegenüberliegenden Seite des Salons flutete Sonnenlicht herein und badete den Teppich in warmem Gold. Eines der vom Boden bis zur Decke reichenden Fenster stand offen, und aus dem Park des Palastes war das Gurren einer Waldtaube zu hören. Der Lärm des Verkehrs auf den keine fünfhundert Meter entfernten, durch mächtige Linden und Buchen dem Blick jedoch gänzlich entzogenen Champs Elysées war zu einem bloßen Murmeln gedämpft und kaum lauter als die gurrende Taube. Wie immer, wenn er sich in einem der nach Süden gelegenen Räume des Elysée-Palastes aufhielt, hatte Roger Frey, der in » der Großstadt geboren und aufgewachsen war, das Gefühl, er befände sich in einem irgendwo im Herzen des Landes versteckten Schloß. Der tosende Verkehr der rue Faubourg St-Honoré zur anderen Seite des Palastes war nur mehr eine Erinnerung. Diensthabender Offizier war an diesem Tag Oberst Tesseire. Er erhob sich hinter seinem Schreibtisch.
    »Monsieur le Ministre… «
    »Colonel…« Frey deutete mit einer Kopfbewegung nach links auf die geschlossenen Doppeltüren mit den vergoldeten Türgriffen. »Werde ich erwartet?«
    »Aber selbstverständlich, Monsieur le Ministre.« Tesseire durchquerte den Raum, klopfte kurz an einer der Doppeltüren, öffnete sie und blieb auf der Schwelle stehen.
    »Der Minister des Inneren, Monsieur le Président. «
    Gedämpft waren Laute der Zustimmung von drinnen zu hören. Tesseire trat einen Schritt zurück, lächelte dem Minister zu, und Roger Frey ging an ihm vorbei in Charles deGaulles privates Arbeitszimmer. In diesem Raum, das hatte er stets empfunden, gab es nichts, was nicht auf irgendeine Weise etwas über den Mann aussagte, der die Dekoration und das Mobiliar selbst ausgesucht hatte. Rechter Hand befanden sich die drei hohen, eleganten Fenster, die wie diejenigen des Salon des Ordonnances auf den Garten hinausgingen. Im Studio war ebenfalls eines von ihnen geöffnet, und auch hier war wieder das Gurren der Taube hörbar.
    Irgendwo unter diesen Linden und Buchen waren Männer postiert, die Maschinenpistolen trugen, mit denen sie aus einer Pik-As-Karte noch im Schlaf aus zwanzig Meter Entfernung das As herausschießen konnten. Aber wehe demjenigen unter ihnen, der sich von den Fenstern des ersten Stocks aus sehen ließ. Im und um den Palast herum war der Zorn sprichwörtlich, mit dem der Mann, den sie im Ernstfall fanatisch verteidigen würden, auf jedwede zu seinem Schutz getroffene Maßnahme reagierte, die ihm zu Ohren kam oder sein Privatleben zu beeinträchtigen drohte. Das war das schwerste Kreuz, das Ducret zu tragen hatte, und niemand beneidete ihn um die Aufgabe, einen Mann zu schützen, der jede Form von persönlichem Schutz als seiner unwürdig und daher unzumutbar empfand.
    Vor die Wand mit den verglasten Bücherregalen zur Linken war ein Louis-XV-Tisch gerückt, auf welchem eine Louis-XIV-Uhr stand. Den Boden bedeckte ein Savonnerie-Teppich, der aus der königlichen Teppichweberei in Chaillot stammte und über dreihundert Jahre alt war. Die Weberei, hatte ihm der Präsident einmal erklärt, war ehedem eine Seifenfabrik gewesen, und auf diesen Umstand sei der Name zurückzuführen, den die dort hergestellten Teppiche seither trugen. Es gab nichts in diesem Raum, was nicht einfach, nichts, was nicht würdig und geschmackvoll war, und vor allem nichts, was nicht die Größe Frankreichs illustrierte. Und das, so meinte Roger Frey, schloß auch den Mann hinter dem Schreibtisch ein, der sich jetzt erhob, um ihn mit der ihm eigenen ausgesuchten Höflichkeit zu begrüßen.
    Dem Minister fiel wieder ein, daß Harold King, Wortführer der in Paris akkreditierten britischen Journalisten und einziger zeitgenössischer Angelsachse, der sich zu den persönlichen Freunden Charles de Gaulles zählen durfte, ihm gegenüber einmal bemerkt hatte, seinen persönlichen Eigenarten und Angewohnheiten nach gehöre der Präsident nicht ins zwanzigste, sondern ins achtzehnte Jahrhundert. Seither hatte er jedesmal, wenn er seines Herrn und Meisters ansichtig wurde, vergeblich versucht, sich eine hochgewachsene Gestalt in Seide und Brokat vorzustellen, die dieselben Gesten zeremonieller Höflichkeit vollführte. Die Gedankenverbindung leuchtete ihm wohl ein, aber die anschauliche Vorstellung entzog sich ihm.

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