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Der Schatten aus der Zeit

Der Schatten aus der Zeit

Titel: Der Schatten aus der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard P. Lovecraft
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staubbedeckter Haufen unter einer gähnend leeren Kammer anzudeuten, daß die Behälter durch ein Erdbeben herausgeschleudert worden waren. An vereinzelten Säulen waren große Symbole und Buchstaben, die auf Gruppen und Untergruppen von Büchern hinwiesen.

    Einmal blieb ich vor einer offenen Kammer stehen, in der noch die vertrauten Behälter unter dem allgegenwärtigen, sandigen Staub an ihrem Platz standen. Ich langte hinauf, holte mit einiger Mühe eines der dünneren Exemplare heraus und legte es auf den Boden, um es anzuschauen. Sein Titel war in den krummlinigen Hieroglyphen geschrieben, obwohl etwas in der Anordnung der Zeichen mir ein bißchen ungewohnt vorkam. Der kuriose Mechanismus des Verschlußhakens war mir völlig vertraut, und ich ließ den noch immer rostfreien und beweglichen Deckel aufschnappen und zog das Buch heraus. Wie erwartet, hatte es ein Format von etwa zwanzig mal fünfzehn Zoll und war zwei Zoll dick; die dünnen Metalldeckel ließen sich an der Oberseite öffnen. Die festen Seiten aus dem zelluloseartigen Stoff hatten offenbar die Jahrtausende ihrer Existenz ohne Schaden überstanden, und ich studierte die seltsam pigmentierten, mit einem Pinsel gezeichneten Buchstaben des Textes Symbole, die weder den gewohnten krummlinigen Hieroglyphen, noch irgendeinem der menschlichen Wissenschaft bekannten Alphabet ähnelten unter dem Eindruck einer wiedererwachenden Erinnerung.

    Es fiel mir ein, daß diese Sprache von einem gefangenen Geist verwendet worden war, den ich in meinen Träumen flüchtig gekannt hatte einem Geist von einem großen Asteroiden, auf dem sich viel von den archaischen Sitten und Gebräuchen des Mutterplaneten erhalten hatte, von dem er sich losgerissen hatte. Gleichzeitig entsann ich mich, daß dieses Stockwerk der Archive den Büchern über die nichtirdischen Planeten vorbehalten war.

    Als ich von diesem unfaßlichen Dokument aufblickte, sah ich, daß das Licht der Taschenlampe schwächer zu werden begann, und legte schnell die Ersatzbatterie ein, die ich immer dabei hatte. Sodann, bewaffnet mit dem helleren Lichtschein, setzte ich meinen fieberhaften Lauf durch die endlosen Labyrinthe von Hallen und Gängen fort hin und wieder ein bekanntes Regal wiedererkennend und leicht beunruhigt durch die herrschende Akustik, die meine Tritte grotesk in diesen Katakomben widerhallen ließ.

    Die bloßen Abdrücke meiner Schuhe hinter mir in dem seit Jahrtausenden unberührten Staub machten mich schaudern. Nie zuvor hatte wenn an meinen verrückten Träumen etwas Wahres warder Fuß eines Menschen diese urzeitlichen Steine betreten. Das eigentliche Ziel dieser wahnwitzigen Hetzjagd war mir nicht bewußt.

    Aber irgendeine böse Macht zerrte an meinem benommenen Willen und meinen verschütteten Erinnerungen, so daß ich das vage Gefühl hatte, ich liefe nicht einfach ziellos umher. Ich gelangte an eine Rampe und folgte ihr in die Tiefe. Im Vorbeilaufen sah ich die einzelnen Stockwerke, blieb aber nicht stehen, um sie zu untersuchen. In meinem schwindelnden Gehirn hatte ein bestimmter Rhythmus zu schlagen begonnen, der sich auf meine rechte Hand übertrug.

    Ich wollte etwas aufschließen und fühlte, daß ich alle die komplizierten Drehungen und Stöße kannte, die dazu nötig waren. Es würde wie bei einem modernen Safe mit einem Kombinationsschloß sein. Ob ich nun träumte oder wachte ich hatte es einmal gewußt und wußte es noch immer. Wie irgendein Traum oder irgendein Hinweis aus einer unbewußt aufgenommenen Legende mich eine so nebensächliche und doch so knifflige Einzelheit hatte lehren können, versuchte ich mir erst gar nicht zu erklären. Ich war jenseits allen zusammenhängenden Denkens. Denn war nicht dieses ganze Erlebnis diese erschreckende Vertrautheit mit einer Ansammlung unbekannter Ruinen, und diese groteske Identität aller vor mir liegenden Dinge mit dem, was ich nur aus Träumen und bruchstückhaften Mythen hatte erahnen können ein Schreckbild jenseits aller Vernunft?

    Wahrscheinlich war es damals meine innerste Überzeugung -wie sie es jetzt in meinen lichteren Momenten auch ist -, daß ich überhaupt nicht wach und die ganze begrabene Stadt die Ausgeburt einer fiebrigen Halluzination war.

    Schließlich erreichte ich das unterste Geschoß und bog von der Rampe aus nach rechts ab. Aus irgendeinem schleierhaften Grund versuchte ich, meine Tritte zu dämpfen, obwohl ich deshalb langsamer laufen mußte. Es gab in diesem letzten, tief begrabenen Geschoß eine

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