Der Schatten des Chamaeleons
Arme vors Gesicht, um es vom Licht abzuschirmen. »Ich hab einem verdammten Offizier geglaubt«, sagte er. »Ein arroganter Mistkerl. Ich hätt mir ja denken können, dass man dem nicht trauen kann.«
»Wir brauchen Sie leider noch ein wenig länger«, sagte der Superintendent, während er Seite an Seite mit Jackson dem BMW nachsah, der sich auf einen Abschleppwagen aufgebockt die Straße hinunter entfernte. »Chalky - oder der Mann, den wir für ihn halten - wurde vor zehn Minuten in einem Haus in der Bread Street aufgegriffen. Es wäre eine Hilfe, wenn Sie ihn für uns identifizieren könnten.«
»Bei den Frauen? Dass die Sie überhaupt hineingelassen haben.«
»Die Alternative fanden sie nicht so verlockend.« Jones lachte ein wenig. »Vor die Wahl gestellt, ob sie noch heute Abend den Mann herausgeben oder lieber morgen ihr ganzes Haus durchsuchen lassen wollen, haben sie Chalky geopfert. Sie scheinen ihn nicht besonders zu mögen.«
»Die Frau, die in der WG den Ton angibt, mag niemanden, den sie nicht beherrschen kann - und ich kann mir vorstellen, dass Chalky in volltrunkenem Zustand ein ziemlicher Alptraum ist.« Sie bückte sich nach ihrer Arzttasche, die erst freigegeben worden war, nachdem sie gedroht hatte, die Polizei wegen Behinderung ihrer Arbeit zu verklagen. »Ist Charles noch im Crown ?«
»Nein. Er wurde vor ungefähr einer Stunde weggebracht, nachdem er sich einverstanden erklärt hatte, in einer Zelle zu übernachten. Sie können gern nach ihm sehen, wenn wir auf der Dienststelle zurück sind. Er ist nicht in Haft, ich habe nichts dagegen, wenn Sie mit ihm sprechen.«
Jackson sah den Superintendent nachdenklich an. »Wieso plötzlich so großzügig? Ich könnte ihm doch von Ihrem Verdacht gegen ihn erzählen.«
»Davon würde ich abraten, Doktor. Wenn er seine Aussage jetzt ändert, gräbt er sich eine noch viel tiefere Grube.«
Chalky war schon im Vernehmungsraum, als Jones und Beale mit Jackson zurückkamen. Am Bildschirm beobachteten sie, wie er den Streifenbeamten beschimpfte, der bei ihm im Raum war. »Er ist ganz schön sauer«, bemerkte Khan. »Er wirft uns Personenverwechslung vor, Schikane, Freiheitsberaubung und was es sonst noch alles gibt. Ich habe ihm einen Anwalt angeboten, aber Anwälte kann er auch nicht ausstehen.«
Jones sah Jackson an. »Und?«
»Das ist der Mann, den ich als Chalky kenne.«
»Ist er betrunken?«, wandte sich Jones an Khan.
»Er behauptet, nein. Das ist einer der Gründe, warum er sich
so aufregt. Er sagt, die Frauen hätten alle ihre Flaschen vor ihm versteckt und er hätte seit Tagen nichts Anständiges mehr zu trinken gehabt.« Er schwieg einen Moment. »Abgesehen von einer Flasche Wodka, die er gestern vom Lieutenant bekommen hat.«
»Er gibt also zu, den Lieutenant zu kennen?«
»Nicht direkt. Er erwähnte, er habe einem arroganten Mistkerl von Offizier geglaubt - etwas später sagte er dann, der arrogante Mistkerl habe ihn mit einer Flasche Wodka bestochen. Ich unterstelle mal, er sprach vom Lieutenant.«
»Hm. Ich würde vorschlagen, wir unterstellen fürs Erste gar nichts - außer dass er nüchtern ist. Sie werden mir doch nichts anderes sagen, Doktor? Mir scheint er durchaus fähig, vernünftige Antworten auf vernünftige Fragen zu geben.«
»Wenn Sie ein fachliches Gutachten wollen, das vor Gericht standhält, müssen Sie mir schon gestatten, ihn zu untersuchen.«
»Das ist keine üble Idee. Mal sehen, wie er auf Sie reagiert. Ich hätte nichts dagegen, wenn er erfährt, dass es hier jemanden gibt, der ihn kennt.«
Der Gestank im Raum war kaum auszuhalten. »Von Waschen haben Sie wohl noch nie etwas gehört, Chalky?«, erkundigte sich Jackson liebenswürdig. »Sie stinken noch schlimmer als beim letzten Mal.«
Er musterte sie mit wütendem Blick. »Was tun Sie denn hier? Wo ist der Lieutenant? Der beschissene Schweinehund hat mich reingelegt - er hat mir versprochen, dass er nicht sagt, wo ich bin.«
»Hat er auch nicht getan«, erwiderte sie. »Ich habe der Polizei den Tipp gegeben, dass Sie bei den Frauen sein könnten.«
Chalky spie aus. »Verdammte Weiber, immer müssen sie sich einmischen. Können einen nicht in Ruhe lassen. Dauernd müssen sie einen belästigen. Wie geht’s dem Jungen?«
»Er ist noch im Krankenhaus, aber er macht gute Fortschritte.«
»Mit dem sollten die Bullen reden. Was weiß ich denn schon? Da tut man so einem kleinen Schisser einen Gefallen, und prompt landet man im Knast. Das ist
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