Der Schatten des Chamaeleons
nicht gerecht. Ich wollte morgen runter nach Brighton - bisschen Erholung am Meer.«
»Dann wollen wir mal hoffen, dass das noch klappt«, meinte Jackson. »Soviel ich weiß, sind Sie nicht in Haft.«
»Aber es ist praktisch das Gleiche. Ich und die Bullen - wir können’s nun mal nicht miteinander.«
»Dann sollten Sie zusehen, dass Sie hier so schnell wie möglich wieder rauskommen. Sie haben mich gebeten festzustellen, ob Sie nüchtern genug sind, um Fragen zu beantworten. Wie sehen Sie das?«
Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen taxierend an. »Ich weiß ja nicht mal mehr, wie das ist. Ich bin seit zwanzig Jahren nicht mehr nüchtern gewesen. In meinem Zustand kann ich keine Fragen beantworten.«
»Vorsicht«, warnte Jackson. »Sie werden Entzugserscheinungen bekommen, wenn die Polizei Sie auf Eis legt, bis kein Alkohol mehr in Ihrem Blut ist. Auf mich machen Sie einen ziemlich munteren Eindruck. Ich würde der Polizei grünes Licht geben, aber genauso gern mache ich eine Blutuntersuchung bei Ihnen, wenn Sie es lieber hinauszögern möchten.«
Chalky hielt seine Hände nebeneinander über den Tisch. »Da sehen Sie’s, ich zittere wie Espenlaub. Ich brauch was zu trinken. Sagen Sie denen das. Ich quatsch viel lieber, wenn ich was zu trinken krieg - ist doch logisch.«
Vielleicht mit Absicht, vielleicht versehentlich ließ Jones zu, dass Jackson am Monitor Chalkys Vernehmung verfolgte. Constable Khan und ein zweiter Kriminalbeamter, den sie nicht kannte, nahmen sich ihn vor. Die Tür zum Beobachtungsraum stand offen, und nach einem Abstecher zu den Zellen, wo sie Charles
schlafend vorgefunden hatte, trat sie leise ein. Noch zwei andere Mitglieder des Ermittlungsteams saßen vor dem Bildschirm, aber Beale war nicht zu sehen.
Chalkys Aussage bestand großenteils aus weitschweifigen Monologen, in denen er sich über die Polizei beschwerte, über tyrannische Lesben, undankbare Teenager und die Unmenschlichkeit, »einem anständigen Kerl nicht mal einen Schluck zu gönnen«. Im Wesentlichen jedoch bestätigte seine Aussage die Berichte Jacksons und Aclands über die Ereignisse in dem Hinterhof und die spätere Fahrt zum St.-Thomas-Krankenhaus.
»Erinnern Sie sich, wie viele Taschen oder Beutel Ben mitgebracht hat, Chalky?«
»Nur die zwei - einen schwarzen Rucksack und eine Londis Tragtasche.«
»Und wie viele hatte der Lieutenant?«
»Ich glaube, der hat auch zwei gehabt - einen Seesack und einen Matchbeutel.«
»Sind Sie sicher?«
»Hey, wollen Sie behaupten, dass ich lüge?«
Khan schüttelte den Kopf. »Ich versuche nur, alles auf die Reihe zu bekommen. Ist es richtig, dass Sie die Londis-Tasche an sich genommen haben? Uns wurde gesagt, dass sie Zigaretten und Alkohol enthielt.«
»Und wenn? Der Junge kann im Krankenhaus doch eh nichts damit anfangen. Ich zahl’s ihm zurück, wenn ich ihn das nächste Mal sehe.«
»Was ist mit dem Matchbeutel? Haben Sie den auch genommen?«
»’türlich nicht. Das war doch nicht meiner.«
»Was ist dann aus ihm geworden?«
»Der Lieutenant hat ihn genommen.«
Khan betrachtete ihn einen Moment. »Und was heißt das? Dass er ihn nie aus dem Kofferraum des BMW von Dr. Jackson herausgeholt hat?«
Chalky machte ein Gesicht, als wollte er gleich wieder ausspucken, aber dann schien er sich eines Besseren zu besinnen. »Das dürfen Sie mich nicht fragen, Kumpel«, sagte er gleichgültig. »Ich hab nicht geschaut... Der Lieutenant ist jedenfalls derjenige, der den Beutel hat. Ich hab damit überhaupt nichts zu tun.«
Khan nickte. »So ähnlich dachten wir es uns schon.«
»Was tu ich dann hier?«, fragte Chalky angriffslustig. »Unsereiner hat auch seine Rechte, falls Sie’s nicht wissen.«
»Doch, das wissen wir, und wir sind Ihnen dankbar für Ihre Hilfe. Sie haben ein für uns wichtiges Detail bestätigt. Bis jetzt wussten wir nur vom Lieutenant, dass der Matchbeutel überhaupt einmal im Kofferraum war. Dr. Jackson hat ihn nie gesehen, und es hätte ja sein können, dass es diesen Beutel nie gegeben hat und der Lieutenant ihn aus irgendwelchen persönlichen Gründen einfach erfunden hatte.«
Chalky zog in angestrengtem Nachdenken die Augenbrauen zusammen. »Ich bestätige gar nichts.«
Khan warf einen Blick auf die Aufzeichnungen, die vor ihm lagen. »Warum haben Sie sich in der Bread Street versteckt, Chalky?«
»Geht Sie einen Dreck an.«
»Haben Sie den Matchbeutel geöffnet und Angst bekommen, als Sie sahen, was darin war?«
»Ich will einen
Weitere Kostenlose Bücher