Der Schatten des Highlanders
Er riss sein Schwert hoch und hörte, wie Patricks Schwertspitze klirrend der Länge nach an seiner Klinge hinuntersauste. Er sah Patrick erschrocken an.
»Ihr hättet mich fast umgebracht.«
»Dann passt eben besser auf!«
Cameron spürte, wie sich seine Augen verengten. »Das werdet Ihr bereuen!«
Patrick schnaubte verächtlich. »Das bezweifle ich. Aber ich bezweifle nicht, dass Ihr und ich ein ernstes Wörtchen miteinander reden müssen. Ich werde eine Liste mit unmissverständlichen Fragen für Euch ausarbeiten.«
»Gelingt Euch das, während wir kämpfen?«
Patrick lachte laut auf, dann traf er Camerons Klinge plötzlich mit solcher Wucht, dass dieser die Waffe beinahe fallen ließ.
Aber er war nicht umsonst William Mac Camerons Sohn.
Er war mit dem Schwert in der Hand zum Mann herangereift und hatte stets Wert darauf gelegt, es in seinen Händen zu behalten und nicht auf dem Gras zu seinen Füßen liegen zu sehen. Er warf Sunny einen weiteren Blick zu und sah, dass ihr Gesichtsausdruck unverändert war, hatte aber dann keine Zeit mehr, sich darüber zu wundern. Die MacLeods blieben einfach MacLeods, ganz gleich, in welchem Jahrhundert, und sie forderten seine volle Aufmerksamkeit.
Er würde diese Aufmerksamkeit jedoch ihrer Hexe zuwenden, sobald er den Kopf dafür frei hatte. Warum sie ihn wohl so unerbittlich in diese Situation gedrängt hatte? Er hatte nicht die geringste Ahnung, was sie damit bezwecken wollte.
Ob er die Antwort wohl ertragen könnte, sollte er sie je erfahren?
19
Sunny stand neben Ian MacLeod am Rand seines Übungsplatzes und fragte sich, ob sie den Verstand verloren hatte. Sie war an diesem Morgen mit dem Anblick von Cameron erwacht, der neben ihrem Bett saß, und ihr Herz hatte einen Schlag lang ausgesetzt. Spontan hatte sie beschlossen, dass ein kleiner Ausflug zu Ian eine großartige Idee wäre. Aber jetzt kam es ihr ganz anders vor.
Vielleicht war sie wirklich verrückt.
Sie tat einen diskreten Blick — bereute es aber gleich. Cameron war ... nun, er war wieder ganz der Alte. Zwar trug er Shorts, ein T-Shirt und Tennisschuhe statt eines Plaids und abgetragener Stiefel, aber diese wären die einzigen Anzeichen dafür gewesen, dass er nicht mehr im Jahr 1375 lebte. Er war so geschickt, so tödlich, so schön - er bestand ganz aus Muskeln und Leidenschaft und schwang sein Schwert, als sei für ihn die Zeit stehen geblieben. Und er strich sich immer noch die Haare mit einem Fluch aus den Augen, ganz so wie damals in der fernen Vergangenheit.
»Dieser Bursche da hat den Schwertkampf nicht in unserem Jahrhundert erlernt.«
Erst da bemerkte Sunny wieder, dass Ian neben ihr stand, und richtete ihre Aufmerksamkeit mit einiger Mühe auf ihn. »Woraus schließt du das?«
»Weil er nicht darüber nachdenken muss, was er tut.« Er sah Cameron noch eine Weile aufmerksam zu. »Beobachte ihn, wenn er kämpft. Das ist kein einstudiertes Herumtänzeln. Entweder reagiert er ohne Zögern auf Pats Angriff oder er greift selber an, und zwar so, dass er sich Pats Schwächen zunutze macht. Sein Schwert ist wie ein verlängerter Arm, wie eine Erweiterung seines Körpers.« Er sah sie lächelnd an. »Das ist der Unterschied zwischen jemandem, der damit aufgewachsen ist, sein Schwert dazu zu verwenden, sich am Leben zu erhalten, und einem, der diese Kampfkunst aus weniger zwingenden Gründen erlernt hat.«
»Du kennst dich in deinem Metier schon sehr gut aus, oder?«
Ian lächelte stolz. »Kaum zu glauben, nicht wahr?«
»Ich weiß, dass du gut kämpfen kannst, Ian«, sagte sie nüchtern. »Ich habe nur noch nie genauer darüber nachgedacht, was für ein Wissen dahinter steckt.«
»Nun, darum kriege ich ja auch diese vielen Dollars dafür«, prahlte er im breitesten, gut imitierten amerikanischen Slang. »Ich mache aus all diesen mickrigen Hollywood-Stuntmen echte Highland-Krieger.«
»Was sie trotzdem nie werden.«
»Manche schaffen es«, räumte er ein. »Aber diese Männer leben jahrelang ganz für die Fechtkunst. Gelegentlich finde ich ein Naturtalent.« Er nickte in Richtung Turnierplatz. »Aber dein kleiner Freund hier kämpft deshalb so gut, weil er mit einem Schwert in der Hand aufgewachsen ist und es dazu gebraucht hat, sich am Leben zu erhalten.«
»Meinst du wirklich?«, sagte sie und auf einmal hatte sie einen ganz trockenen Mund.
Er warf ihr einen vielsagenden Blick zu. »Sunny, ich bin kein Dummkopf. Ich kann dir keine genaue Zeit nennen, aber ich würde ihn zeitlich
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