Der Schatten des Highlanders
einzelnen Einheimischen sah sie allerdings dann doch noch, aber sobald er sie erblickte, bekreuzigte er sich und floh Hals über Kopf in sein Haus. Sie seufzte. Was um alles in der Welt sollte sie die nächsten dreißig Jahre im mittelalterlichen Schottland nur anfangen?
Im Grunde könnte es sogar noch viel länger dauern. Ihre Vorfahren, sowohl die mütterlicher- wie auch väterlicherseits, hatten gesund und munter bis weit in ihre Neunziger hinein gelebt. Also konnte es durchaus passieren, dass sie die nächsten sechzig Jahre versuchen würde, sich an einem Feuer zu wärmen, das mitten in ihrem Wohnzimmer brannte.
Sie schloss die Augen und betete um ein Wunder und darum, dass Patrick MacLeod käme, um sie zu retten. Hätte sie doch wenigstens eine Nachricht an ihrem Badezimmerspiegel hinterlassen, obgleich ihr nichts einfiel, was sie darauf hätte schreiben können.
Hey, Pat, vor meiner Tür steht ein extrem gut aussehender Typ, und ich glaube, die Idee zu diesem vielversprechenden Blind Date stammt von Jamie. Wirklich nett von ihm. Ich muss jetzt los.
Leider konnte sie sich mittlerweile sehr gut zusammenreimen, wie jener schicksalsträchtige Abend in Wirklichkeit verlaufen sein musste. Joshua war vermutlich vorbeigekommen, um sie zum Abendessen abzuholen, aber da war sie schon fort gewesen. Er hatte dann sicher Patrick angerufen, der daraufhin bei Jamie anrief, und dann waren sie beide vermutlich zu Moraigs Cottage gefahren, während Ian derweil auf Jamies Burg für die Sicherheit der Frauen und Kinder sorgte. Als die beiden keine Anzeichen eines Verbrechens finden konnten, war ihnen vermutlich sofort klar gewesen, was geschehen war.
Solche Dinge passierten Jamie ziemlich oft, aber er war ein wahrer Experte, sich aus jeder Klemme herauszumanövrieren, in die er geriet.
Er verließ nie sein Haus, ohne ein paar Langdolche in den Stiefelschäften unter seinen Jeans zu verstecken.
Wenn sie je wieder nach Hause käme, dann würde sie sich bei Jamie für einen Kurs zum Thema Portalerkennung und -klassifikation anmelden. Zum Teufel, selbst Madelyn hatte ihn absolviert. Sie hingegen hatte sich die Zeit lieber damit vertrieben, bei Moraig MacLeod herumzusitzen und die vielen Anwendungsmöglichkeiten von Wegerich zu erörtern, als sich mit so etwas zu belasten.
Sie holte tief Luft und schob diese Selbstvorwürfe beiseite. Vielleicht war es ihr ja auch beschieden, hier in der Vergangenheit eine Aufgabe zu erfüllen, und sie könnte nicht eher nach Hause zurückkehren, bis sie diese erledigt hätte. Vielleicht sollte sie eine neue Heilerin ausbilden, damit Cameron in der nächsten Schlacht ein paar seiner Männer retten könnte. Zumindest könnte sie die überalterten Kräuter, mit denen sie seinen Bruder behandelt hatte, durch frische ersetzen.
Das würde sie wenigstens davon abhalten, sich den Gesichtsausdruck ihrer Schwester vorzustellen, wenn diese realisierte, was geschehen war.
Sie vergewisserte sich, dass Camerons Langdolch noch immer in dem behelfsmäßigen Gürtel steckte, den sie aus dem Saum ihres Kleides gefertigt hatte, dann schlenderte sie hinter ihrem Haus umher und blickte auf die Wiese auf der anderen Seite des Bachs. Sie stand in voller Blüte mit allen Arten von Frühlingsblumen, und das erfüllte sie mit neuer Zuversicht.
Sie hob ihren Rock und watete durch das seichte Gewässer, dann erklomm sie das gegenüberliegende Ufer. Sie faltete sich aus Camerons Plaid einen zweiten Rock und schlang ihn sich um die Taille, sodass sie eine Ecke wie eine Schürze verwenden konnte. Sicher bot sie in ihrem Aufzug — ihr Kleid war sowieso schon zu kurz gewesen und sah jetzt, mit dem darüber geschlungenen Plaid des Lairds noch kürzer aus -einen seltsamen Anblick. Aber wenn sie all die anderen Anfeindungen in Betracht zog, dann würde es wohl keinen besonders jucken, wie sie angezogen war.
Sie pflückte friedlich ihre Kräuter, bis sie merkte, dass sie nicht allein war. Die Schritte hinter ihr waren so leise, dass sie nichts gehört hätte, sie sah nur einen Schatten. Also wartete sie bis zum letztmöglichen Moment, dann schlug sie mit aller Kraft nach hinten aus, drehte sich um und fegte dem Mann die Füße unter dem Körper weg. Sie zog Camerons Dolch aus ihrem Gürtel und hielt ihn dem Mann vor eines seiner Augen, bevor sie erkannte, auf wen sie im Begriff war, einzustechen.
Cameron packte ihr Handgelenk mit eisernem Griff und gebot dem Dolch einen Fingerbreit vor seinem Auge Einhalt. Er holte stockend
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