Der Schatten des Horus
von schwarzen Haaren und vielfarbigen Kopfbedeckungen. Hätten nicht auf einigen Tischen Badeschlappen aus Plastik und grellbunte Flaggen mit Konterfei und Schriftzug von Eminem gelegen, Sid hätte glatt an eine Zeitreise geglaubt.
Endlich schmiegte sich auch Rascal wieder dicht an ihn. Ihr Ärger schien verraucht zu sein. Gemeinsam ließen sie sich eine Weile durch die engen Straßen treiben. Beinahe machtlos wurden Rascal und Sid von der Masse in eine Seitengasse gedrückt. Aus dem Halbschatten hinter ihren Ständen heraus versuchten ihnen Straßenhändler bauchige Karaffen oder wagenradgroße Teller aus Metall zu verkaufen.
» Have a look, mista, for free! «, raunten sie, als würden sie verbotene Ware anpreisen. » Missis, cheap, cheap! «
Die nächste Kreuzung lag unter freiem Himmel. Trotz der jetzt schon enormen Verspätung erlaubten sich Sid und Rascal einen Augenblick Luft zu holen.
»Wo ist jetzt dieses Café, in dem wir verabredet sind?«, fragte Sid nach. Inständig hoffte er, dass Monsieur Faux auf sie wartete. In der Nacht waren all die ungeklärten Fragen wieder an die Oberfläche gekommen und drohten nun seinen Kopf zu sprengen. Rascal blickte mit gerunzelter Stirn in ihren Reiseführer. Sid sah sich um. Die allgegenwärtigen Wasserverkäufer trugen bronzefarbene, mannshohe Kannen auf dem Rücken, in der Hand ein Tablett mit Gläsern. Geschickt lenkten sie den Wasserstrahl in hohem Bogen in die Becher. Einen Hinweis auf das Fushawi entdeckte Sid nicht.
Rascal zeigte auf eine schmale Gasse, die von dem kleinen Platz wegführte.
»Da könnte es liegen«, vermutete sie.
Zaghaft gingen sie weiter. Mitten in dem Gang tauchte wie aus dem Nichts eine Horde Kinder auf. Singend und lachend umringten sie die hellhäutigen Menschen. Sid lächelte ihnen freundlich zu. Schlagartig aber änderte sich die Stimmung. Die kleinen Hände hoben den zusammengekehrten Dreck auf und bewarfen sie damit.
»Was soll das?«, brüllte Rascal. Ehe Sid eines der Kinder festhalten konnte, waren sie zwischen den Läden verschwunden. »Verdammter Mist!«, fluchte Rascal.
Hilfsbereit stürzte eine Handvoll Männer hinzu und begann ihnen die Kleider abzuklopfen.
Als sie wieder halbwegs sauber waren, entfernten sie sich unter hundertfacher Entschuldigung.
»Wenigstens die Erwachsenen haben noch Anstand«, schnaubte Rascal. »Solche Rotzlöffel!«
Plötzlich tauchte Yusuf in der Gasse auf, der junge Mann, der den Taxifahrer zurechtgestutzt hatte. Mit der Faust umschlang er fest den Kragen eines der Helfer und zerrte ihn wie eine willenlose Puppe hinter sich her. Direkt vor Sid stellte er ihn auf die Füße.
»Fass ihm in die linke Hosentasche!«, befahl Yusuf. Sid sah Rascal an, die zuckte nur mit den Schultern. Zögernd kam Sid der Aufforderung nach. Als er seine Hand wieder hervorzog, lagen seine Kreditkarte und sein Handy darin.
Yusuf schubste den anderen verächtlich weg. Wie ein geprügelter Hund machte sich der Dieb aus dem Staub. »Ein alter Trick«, erklärte er. »Schon unzählige naive Ausländer sind auf diese Art ausgeraubt worden ! – Braucht ihr vielleicht doch meine Hilfe? Ich kenne Ecken von Kairo, die kein Tourist je zu sehen bekommt!«
Rascal entließ zischend die Luft aus ihrer Lunge. »Yusuf, wi r …«
Sid unterbrach sie. »Ein Einheimischer könnte uns wirklich sehr nützlich sein. Hab Vertrauen. Nicht alle Araber sind schließlich solche Schurken, wie uns unsere Regierung seit Jahren weismachen will.«
Rascal lachte. »Hey, Sid! Dieser Text müsste doch eigentlich von mir kommen!« Sie lächelte den jungen Mann an. »Du könntest uns zum Café Fushawi führen. Ich glaube, wir haben uns hoffnungslos verirrt.«
Yusuf entblöste grinsend seine schneeweißen Zähne. »Hoffnungslos? Das ist noch untertrieben. Ohne Führer kommt ihr von hier aus nie dahin!«
Er drehte sich um und schlug den Weg ein, den sie gekommen waren. Sid zwinkerte Rascal zu. Rascal streckte ihm als Antwort die Zunge raus.
Während sie zum Treffpunkt mit Faux schlenderten, bemerkte Sid, dass Yusufs Begleitung noch einen weiteren Vorteil hatte: Keiner der Händler sah sie mehr als Freiwild an, niemand zischte ihnen sensationelle Preise zu oder versuchte ihnen seine Ladenhüter anzudrehen. Als sie in eine breitere Gasse einbogen, ließ sich Yusuf ein wenig zurückfallen, sodass sie nebeneinander gehen konnten.
»Jarkas al-Khalili, Stallmeister des damaligen Sultans, hat diesen Khan im 14 . Jahrhundert gegründet«, erklärte
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