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Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
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nicht!, las Sid in ihrer Miene. Er schärfte seine Sinne, bereit, bei Gefahr die Flucht anzutreten.
    Die Kutsche ächzte die thebanischen Berge nach Qurna hinauf. Die vor wenigen Stunden noch so fröhlich wirkenden bunten Häuser mit den Ziegen hütenden Kindern schienen nun bedrohlich wie eine schwarze Festung über ihnen aufzuragen. Sid spürte, wie Rascal näher an ihn heranrückte.
    »In der Bronx weiß ich wenigstens, was mich um die nächste Ecke erwartet«, flüsterte sie als Entschuldigung – als wenn sie das nötig hätte!
    Wie ein Geisterzug zockelten sie durch das stille Dorf. Wie der Sensenmann, der einen weiteren Sterblichen abholen wollte, dessen Sand im Stundenglas des Lebens verronnen war, schoss es Sid durch den Kopf. Schweigsam, aber unbeirrt.
    Endlich blieb die Kutsche stehen. Sid erkannte das Haus wieder, es stand der Bäckerei, in der sie sich nach einem Rassoul erkundigt hatten, direkt gegenüber. Husni wechselte ein paar Worte mit dem Kutscher, dann glitt er elegant vom Bock und öffnete die Tür des Wagens. Galant half er Rascal auszusteigen.
    Mit einem überdimensionalen Schlüssel schloss er dann sein Haus auf. Sid sog die Luft ein. Drohte Gefahr? Der Duft von fuul stieg ihm in die Nase, Zwiebeln und Tomaten, dazu Minze und schwarzer Tee, der zu lange gezogen hatte und nun bitter roch. Holz, Metall und eine Spur Feuchtigkeit. Ganz hinten in seinem Kopf registrierte Sid noch einen anderen Geruch, der ihn hätte vorbereiten können, aber es gelang ihm nicht, diese Ahnung festzuhalten und richtig einzuordnen.
    Husni entzündete eine Gaslampe und stellte sie auf den blank geschrubbten Küchentisch. Auf ein Nicken hin nahmen Sid und Rascal auf den Stühlen Platz. »Unserer Regierung ist das Dorf seit Jahrzehnten ein Dorn im Auge«, erläuterte Husni ruhig. »Vor sechzig Jahren haben sie Neu-Qurna erbaut, aber kaum einer wollte umziehen. Das Haus seiner Eltern verlässt niemand gern, oder?«
    Sid nickte, obwohl er genau das Gegenteil dachte.
    »So, nun wollen wir doch mal sehen, was in der Speisekammer noch so auf meine Gäste wartet«, wechselte Husni das Thema.
    Rascal räusperte sich. »Eigentlich haben wir gerade gegessen«, antwortete sie so freundlich wie möglich. »Wir müssen gar nicht s …«
    »Ihr müsst nicht!«, stimmte ihr Husni zu. »Aber ihr solltet besser!«
    Sid fuhr ein Schauer den Rücken herunter. Er dachte an Yusuf, der sicher schon bemerkt hatte, dass sie verschwunden waren. Würde er nach ihnen suchen?
    Husni ging auf einen schmalen Schrank zu, der in die Wand eingemauert war, und öffnete die blaue Holztür. Regalbretter mit Unmengen von Vorräten kamen zum Vorschein, ein einzelner Mann musste Monate damit auskommen können. »Mal sehen, was ich für euch habe!«, murmelte Husni in sich hinein. Er tastete in einem Fach herum. Plötzlich klickte etwas. Wie von Geisterhand schob sich das komplette Innenleben des Schranks mit allen Gläsern, Körben und Säcken auf die Seite. Zum Vorschein kam nur ein dunkles Loch. Da war der Geruch wieder! Feuchte Erde!
    »Wollt ihr mit aussuchen?«, fragte der alte Grabräuber. »Ich kenne euren Geschmack noch nicht so gut.« Er bedeutete Sid, die Lampe mitzunehmen.
    Sid ließ sich nicht zweimal bitten, Nagy war hier gewesen, das spürte er jetzt. Genau wie er war der Reporter von einem Rassoul zum Abendessen eingeladen worden und dann durch den Gang geführt worden, der sich jetzt, im Schein des Lichts, vor ihnen öffnete.
    Schweigend gingen die drei vorwärts. Der Gang war hoch genug, sodass sich Sid nicht zu bücken brauchte. Immer tiefer führte der Stollen in den Berg, an mehreren Stellen gab es Abzweigungen oder Kreuzungen, die wohl zu einem Grab oder einem Keller der anderen Häuser in Qurna führten. Es musste Jahrhunderte gedauert haben, dieses Labyrinth zu erschaffen. Ein entferntes Klopfen und Schaufeln bewies, dass die Arbeit noch immer nicht vollendet war.
    »Dieser Berg war schon durchlöchert wie ein kariöser Zahn, als unsere Familie hierherzog«, klärte Husni die nicht gestellte Frage. Auf seiner Stirn standen feine Schweißperlen, die Luft hier unten war dünn und feucht. »Wir sind nun im Tal der Könige.« Er stoppte vor einem unscheinbaren Loch in der Stollenwand, das ein Brett verschloss. »Dies hier war 1875 als K V 32 geplant, aber zwanzig Jahre später entschied sich mein Großvater doch anders und zeigte Loret das Grab der Tia’ a – er wollte für dieses hier nicht den angemessenen Preis zahlen. Was für ein

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