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Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
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ein Paket, mit seinem Namen als Adressaten. Birger Jacobsen sah sich kurz im Gang um, dann trug er es zu dem Schreibtisch, der an einer Wand des Zimmers stand.
    Schon als er das Messer aufspringen ließ, machte sich ein mulmiges Gefühl in seinem ausgelaugten Körper breit. Wer wusste überhaupt, dass er hier war? Je weiter er das Päckchen aufschlitzte, desto konkreter wurde seine Vorahnung. Dies hier war kein Geschenk, dies hier war eine Warnung. Von Tanaffus? Von Faux? Sein Augenlid begann zu zucken. Mit zittrigen Fingern schlug er den Kartondeckel auf. Noch bevor er ihn sehen konnte, roch er ihn bereits.
    Den toten Hund.

51. Kapitel
    Luxor, 4 . November 2007, Mitternacht
    Inmitten einer Allee von Sphinxen hockten Sid und Rascal im Schneidersitz vor dem Tempel von Luxor und hielten Händchen. Mehr als vierzig Löwenkörper mit dem Kopf von Pharao Amenophi s III. reihten sich hier noch aneinander, früher war die Gasse, die sie bildeten, mehr als drei Kilometer lang gewesen, so stand es im Lonely Planet. Tagsüber war dieser Platz nur eine der tausend Sehenswürdigkeiten Ägyptens. Erst in der Nacht, angestrahlt von dramatischem Licht aus Hunderten von Scheinwerfern, entfaltete der Tempel seine geradezu mystische Kraft. Mit den Schatten schien ein Lächeln über jedes Gesicht der steinernen Wächter links und rechts von ihnen zu huschen, weise und allwissend sahen sie in die Zukunft.
    Yusuf war nicht mitgekommen. Als Entschuldigung für ihre Tour auf eigene Faust wollten die beiden ihren Führer auf einen Stadtbummel einladen. Als Sid an seine Tür geklopft hatte, war ihm Yusuf reumütig um den Hals gefallen.
    »Entschuldige meinen Ausbruch vorhin!«, presste er hervor. »Ich habe mir einfach große Sorgen gemacht!« Sie verziehen sich gegenseitig, aber Yusuf bestand darauf, dass dieser Abend dem Pärchen ganz alleine gehören sollte.
    »Ich glaube, er ist in dich verknallt!«, murmelte Sid und schnippte einen Kiesel von sich. Der Gedanke gefiel ihm gar nicht, aber jetzt war er ausgesprochen.
    Rascal schüttelte den Kopf, eine Strähne ihrer knallroten Haare fiel ihr in die Stirn. Sie pustete die widerspenstige Locke an ihren Platz zurück. Weiter kommentieren wollte sie Sids Äußerung offenbar nicht. Sid zog Rascal an sich. Er konnte ihr Herz schlagen hören. Als er sie zu streicheln begann, wurde es schneller. Rascal drückte ihren Kopf an seinen Hals.
    »Warst du jemals an einem Ort, der dich so beeindruckt hat?«, flüsterte sie.
    Die letzten Touristen verschwanden und mit ihnen die aufdringlichen Einheimischen, die schlecht kopierte antike Scherben und ihre Gegenwart als lebende Kulisse bezahlt haben wollten. Es herrschte eine feierliche Stille, nur die Scheinwerfer summten. Sid ließ seinen Blick über die Anlage schweifen. Viele Pharaonen hatten hier an- oder umgebaut, verriet der Reiseführer: Hatschepsut, Amenophi s III., Ramse s II., Alexander der Große und sogar die Römer. Der Tempel war der Harem des Amun gewesen, das Privatgemach des Schöpfergottes. Fast fünfundzwanzig Meter ragte der Pylon neben dem Eingang empor. Im warmen Licht, mit dem rabenschwarzen Nachthimmel im Hintergrund, traten die Kriegsszenen plastisch hervor, die bei Tag beinahe unsichtbar waren. Ramses, in der Schlacht von Kadesch, erschlägt Hethiter. Seine beiden sitzenden Abbilder, ebenfalls mehr als zehn Meter groß, drehten sich nicht zu den Heldentaten um, sondern starrten in die Ferne, vielleicht nach Syrien, nach Kadesch. Dort im Feindesland, abgeschnitten von all seinen Truppen, schickte der Pharao ein inbrünstiges Gebet zu Amun, dass er niemals an ihm zweifle. Aus Dank für das Vertrauen fuhr der Gott in ihn und Ramses tötete Tausende von Barbaren, bis sein Streitwagen wieder zu den Soldaten zurückgekehrt war. Erzählte davon auch der Obelisk vor ihnen, der wie eine Nadel in die Wolken stach? Fein säuberlich hatten seine Erbauer Eulen und Schwäne und Halbmonde und andere Hieroglyphen in den Sandstein gemeißelt. Den zweiten Obelisk hatte Napoleon nach Paris verschleppt, er musste fürchterliches Heimweh nach seinem Zwilling haben. Sid fasste sich an die Brust. Das Mumienherz schlug ruhig und gleichmäßig. Auch Setepenseth hatte sich sicher nach Ägypten zurückgesehnt. Wie viele Jahre war das Herz durch die Welt geirrt? Sid wusste es nicht, aber er fühlte, dass es froh war, wieder hier zu sein und den Sand zu riechen. Nein, auch er war nie an einem Ort gewesen, der ihn so fasziniert und bezaubert hatte wie der

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