Der Schatten des Horus
gemerkt hatte, woran er war. Man traute niemandem, der diesen Namen erwähnte, schickte ihn lieber in die Einöde, als es ihm ins Gesicht zu sagen. Yusuf konnte ihnen nicht helfen. Aus einer Laune heraus hatte Sid ihn nicht bei sich haben wollen, hatte darauf bestanden, diesen Weg alleine zu gehen. Rascal hatte ihn mehrfach für seine Sturheit verflucht, aber auch sie musste spüren, dass sie dem Ziel nicht mehr fern waren. Auf einem sandigen Weg durchquerten sie das Dorf, die Sonne wurde schon schwer am Himmel und senkte sich müde zu Boden. Sid betrachtete die Ebene, der Sand der ägyptischen Wüste war rot.
Vor einem gelben Haus mit blauer Tür mitten im Ort hielt Sid an. Er betrachtete das Wandgemälde. Eine Frau in einem roten Kleid knetete Teig in einem Bottich, hinter ihr prasselten die Flammen im Ofen, auf dem Boden waren die fertigen Brote zum Abkühlen ausgebreitet. Die Bäckerin trug einen Schleier und Blumen im Haar.
»Wer so schöne Bilder an sein Haus malt, wird uns wohl nicht wegschicken«, beschloss Sid.
Rascal nickte. »Probier’s!«
Sid atmete tief durch und kopfte. Die Tür schwang auf, niemand war zu sehen. Sid sah sich zu Rascal um.
»Sollen wir einfach reingehen?«
Plötzlich lugte ein kleines Mädchen um die Ecke. Sein Haar war mit einem Schal in leuchtendem Rot bedeckt. Aus großen schwarzen Augen sah es Sid an.
»Hallo!«, sagte er so freundlich wie möglich. »Ich heiße Sid. Und ich suche jemanden, aber ich kenne nur seinen Nachnamen: Abd-er-Rassoul. Ob er alt ist oder jung, weiß ich leider nicht. Abe r …«
Sid spürte eine Hand auf seiner Schulter. »Du machst ihr Angst«, erklärte Rascal. »Sie versteht doch kein Wort von dem, was du sagst.«
»Dina!«, erklang eine freundliche, aber bestimmte Stimme im Haus. Das Mädchen zuckte zusammen, blieb aber regungslos im Eingang stehen. Jetzt kam auch die Besitzerin der Stimme um die Ecke, es mochte die Großmutter der Kleinen sein.
»Verzeihung!«, begrüßte Sid sie. »Ich suche einen Nachfahren der Abd-er-Rassouls. Hören Sie? Abd-er-Rassoul! Es gibt doch bestimmt noch jemanden hier aus dieser Familie?«
» Abd-er-Rassoul? «, keifte die Alte. Ihr Gesicht wurde faltig wie ein Bündel Tabakblätter. Mit einem Tritt flog die Tür zu.
Genauso faltig wirkte Yusuf, als sie ihn bei der Rückkehr nach Luxor im Garten des Wena Hotels trafen.
»Wo seid ihr gewesen?«, rief der junge Mann außer sich. Aus seinem Gesicht war jeder Humor und jede Lebensfreude verschwunden, er wirkte aschfahl.
Sid versuchte ein Lächeln. »Du bist doch nicht unser Kindermädchen, wir müssen ja nich t …«
Yusuf sprang nach vorne, packte Sid an den Schultern und schüttelte ihn kräftig durch. »Ich bin hier euer Führer! Die Stadt ist voller Lumpen! Und du hast ein hübsches Mädchen bei dir! Wenn euch etwas passiert, würde ich mir das nie verzeihen!« Er stieß Sid weg und stürmte die Treppe hinauf zu seinem Zimmer.
Sid und Rascal tauschten verdutzte Blicke.
»Was hat er denn?«, wunderte sich Sid. Rascal zuckte mit den Schultern.
»Ein bisschen Pharao schlummert scheinbar in jedem ägyptischen Mann«, antwortete sie lakonisch. »Mehr steckt sicher nicht dahinter.«
50. Kapitel
Luxor, 4 . November 2007, später am Tag
Auch wenn Ali gut und gewissenhaft zu arbeiten schien und regelmäßig über die Unternehmungen des Jungen Bericht erstattete, es machte Birger Jacobsen schier verrückt, untätig in seinem Hotel herumzusitzen! Erst wenn sein Spion die Nachricht durchgab, Sid Martins habe das Licht in seinem Zimmer gelöscht, konnte er es wagen, auf die Straße zu treten.
Wohin mit seiner Wut? Die Lust auf Glücksspiele war ihm gründlich vergangen. So riss er sich das blütenweiße Hemd vom Körper und befreite die Tätowierung auf seinem Oberkörper: Seth, mit einem Herzen auf der Waage. Er rollte die Hantel unter seinem Bett hervor, legte sich auf den blanken Boden und begann, gegen seine unsichtbaren Gegner anzukämpfen, gegen Verlust und Zweifel. Als der Schweiß in Strömen an ihm hinablief und sich langsam wieder Zufriedenheit in ihm breitmachen wollte, klopfte es an der Tür.
Birger Jacobsen stutzte einen Moment. Wer sollte mich hier besuchen? Er versuchte unbeirrt weiterzumachen, aber die Frage wollte nicht aus seinem Kopf verschwinden, so sehr er sie auch für nichtig erklärte. Schließlich drückte er das Eisen an die Seite, streifte sich das Hemd über und öffnete die Tür.
Der Klopfer war verschwunden, aber auf der Schwelle lag
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