Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatten des Schwans

Der Schatten des Schwans

Titel: Der Schatten des Schwans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
Vom Netzwerk:
erfassen konnten.
    Damit konnte man feststellen, ob sich in einem Raum Lebewesen befanden.
     
    Im Donautal, dem Ulmer Industriegebiet, hielt ein schwarzer VW-Bus mit schwarz getönten Seitenscheiben auf dem Parkplatz einer Spedition. Hundert Meter weiter verschwamm die Neon-Reklame der Discothek »69« farbig im Nebel. Felleisen
sah in den Rückspiegel. Hinter ihm saß die junge Kollegin aus dem Morddezernat. Kalt wie eine Hundeschnauze, dachte Felleisen. Drei weitere Einsatzfahrzeuge bogen von der Zubringerstraße ab. Die Fahrer hatten das Blaulicht ausgeschaltet.
    »Noch einmal«, sagte Felleisen. »Was wir suchen, sind Lolitas. Solche mit einem Flachmann im Handtäschchen. Oder mit etwas, das wie Nasentropfen aussieht.«
    »Du musst uns nicht sagen, wie wir unseren Job tun sollen«, erwiderte Blocher gekränkt. Es war fast unmöglich, dachte Felleisen, Blocher nicht zu kränken.
     
    Der letzte Bus aus Blaustein bog auf die Bahnhofstraße ein. Vom Westen trieben Nebelfetzen her. Die Lampen über dem leeren Ulmer Omnibusbahnhof schwankten im Wind. Berndorf hatte seinen Wagen beim Hauptbahnhof geparkt und ging über die Bussteige auf einen viereckigen heruntergekommenen Pavillon zu. Vor zwei Stunden hatte ihn Tamar am Telefon erreicht und von dem Gespräch mit Felleisen und dem Kapo berichtet. Auch Felleisen war der Ansicht, dass eine Aktion nur sinnvoll war, wenn sie sofort anlief.
    »Das spricht sich doch heute Nacht noch herum, dass die Bullen hinter Leuten mit K.-o.-Tropfen her sind«, hatte er gemeint. Englin hatten sie gar nicht erst gefragt, denn der hatte donnerstags seinen Abend bei den Rotariern.
    An der Außenwand des Pavillons warben halb abgerissene Plakate für das Musical »Miss Saigon« und für einen Boxkampf in der Messehalle. Der Kampf war schon vor einem halben Jahr gewesen. Ein Streifenwagen bog auf den Busbahnhof ein. Berndorf nickte der Besatzung zu. Dann ging er um die Ecke des Pavillons und stieß die Eingangstür auf. Sie war aus Sicherheitsglas. Trotzdem hatte jemand versucht, sie mit einem Stein einzuschlagen. Zigarettenqualm und der saure Geruch von umgeschüttetem Bier schlugen ihm entgegen.
    An einem der Tische saß ein Mann in einem Arbeitsanzug
mit zwei Frauen. Eine davon war blond. Ein zweiter Mann stand vor dem Münzspielautomat, neben ihm schlief ein dritter, den Kopf auf den Tisch gelegt. Der Wirt lehnte an der Theke. Er hatte ein bleiches rundes Gesicht und schmutziggraue, nach hinten gekämmte Haare. Als er Berndorf sah, schienen seine Augen plötzlich groß zu werden.
    Berndorf hob grüßend die rechte Hand und senkte sie dann ganz leicht. Es war eine Geste, die zugleich beruhigend und warnend sein sollte. »Bring mir ein Bier«, sagte er dem Wirt und setzte sich. Den Mantel behielt er an.
    Der Betrunkene am Münzspielautomat hieb zornig auf die Steuerungstaste. Der Wirt zog sich hinter die Theke zurück und zapfte das Bier für Berndorf.
    Im Wandregal hinter dem Tresen lief ein Fernseher. Einer der Sportkanäle übertrug Wrestling. An dem Tisch nebenan redete der Mann in dem blauen Overall auf die beiden Frauen ein. Er war klein und schmächtig und trug eine Brille mit dicken Gläsern.
    »Solche alte Fliesen, das ist eine Scheißarbeit«, sagte der kleine Mann. »Alles verklebt. Ein unglaublicher Dreck, musst du alles abschleifen.«
    »Du bist süß«, sagte die Schwarzhaarige. »Kauf uns noch einen Schnaps.« Ihr Akzent klang nach Vorstadt. Nach einer Vorstadt irgendwo in Osteuropa.
    »Alles musst du wegmachen«, erklärte der Kleine. »Sonst hält der neue Estrich nicht. Was glaubt ihr, wie das stinkt.«
    »Zahl eine Runde«, sagte die Blonde. Es war schon einige Zeit her, dass sie sich die Haare gefärbt hatte. Sie kam so wenig aus der Ulmer Vorstadt wie die Schwarzhaarige. »Ich blas’ dir auch einen.« Dann warf sie einen scheinbar erschrockenen Blick auf Berndorf und schlug sich mit der Hand auf den Mund. Die Schwarzhaarige kicherte.
    »Eine unglaubliche Schmiere gibt das«, sagte der Kleine. Dann winkte er dem Wirt. »Bring uns noch mal das Gleiche. Für auf den Weg. Der Olga. Der Ludmilla. Und mir.«

    Der Wirt brachte drei Schnäpse. Der Spielautomat schüttete rasselnd zwanzig Markstücke aus. »Das is nur fair«, sagte der Betrunkene. Im Fernsehen flog einer der Catcher aus dem Ring. »Nur fair is das«, sagte der Betrunkene.
     
    Der Fernschnellzug aus Warschau lief ein. Geschäftsleute, ein paar junge Frauen, eine Gruppe Musiker verschwanden in der abweisenden

Weitere Kostenlose Bücher