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Der Schatten des Schwans

Der Schatten des Schwans

Titel: Der Schatten des Schwans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Stuttgarter Nacht. Ihre Papiere waren in Ordnung. Die Fachleute aus Weil machten sich daran, die Waggons abzusuchen.
    Die Hundeführer gingen auf die andere Seite des Zuges, um von dort mit ihren Tieren das Gleis abzugehen. Die beiden Schäferhunde wedelten freudig mit ihren Schwänzen. Wenigstens zwei, die Spaß an ihrer Arbeit haben, dachte Wasmer missvergnügt.
     
    In schmerzhaften Wellen wummerte der Lärm gegen die Trommelfelle. Lichtblitze zuckten über die Menge schwitzender, erregter tanzender Körper. Vor Blocher öffnete sich eine Gasse. Er kannte das schon, und insgeheim genoss er die Angst und die Abneigung, die ihm und seinem großen massigen Körper entgegenschlugen. Allerdings sah er auf den ersten Blick, dass sie an diesem Abend vermutlich nicht mehr als ein paar Gramm Haschisch und eine Hand voll Ecstasy-Pillen sicherstellen würden.
    Aber darauf kam es nicht an. Es kam darauf an, Flagge zu zeigen. Im Hintergrund sah er Felleisen, der zusammen mit Berndorfs arroganter Assistentin dabei war, einige halbwüchsige Mädchen einzusammeln.
    K.-o.-Tropfen? Blocher glaubte es nicht. Die kleinen Huren hatten gar kein Problem damit, sich ficken zu lassen. Die brauchten die Tropfen nicht.
     
    Olga und Ludmilla hatte den Kleinen in die Mitte genommen und untergehakt. Sie gingen durch die Nebelschwaden vom
Kiosk zu der kümmerlichen kleinen Anlage an der Blau hinunter.
    »Fliesen verlegen in einem Altbau, das stellt ihr euch viel zu einfach vor«, sagte der Kleine.
    »Dafür blas’ ich dir einen«, sagte Olga. »Jetzt. Gleich.«
    »Kriegst auch noch einen Schnaps«, sagte Ludmilla und holte einen Flachmann aus ihrer Jackentasche. »Einen Schnaps für den Schatz.« Sie schraubte das Fläschchen auf.
    Zwei Lichter flammten auf. »Polizei«, sagte eine Stimme. Ludmilla ließ den Flachmann fallen. Aus der Dunkelheit schoss eine Hand und fing die Flasche auf.
     
    Das Funksprechgerät quäkte. Wasmer meldete sich. »Chef, kommen Sie doch mal nach vorne zum Gepäckwagen«, sagte einer seiner Beamten. Wasmer ging den Zug entlang. Die Tür des Gepäckwagens war aufgeschoben. Als er hineinkletterte, sah er die beiden Hunde vor der Rückwand des Wagens. Sie schnüffelten aufgeregt. Einer winselte.
    »Der Innenraum ist einen knappen Meter zu kurz«, sagte einer der Hundeführer. »Wir haben es gemerkt, weil die Hunde sofort Witterung aufgenommen haben.«
    »Ich müsst’ grad lachen, wenn wir die Kollegen mit dem Messgerät gar nicht gebraucht hätten«, sagte Wasmer. Er sagte es, damit die Hundeführer zufrieden waren.
    Zwei der Beamten aus der Bahnhofswache brachten einen Werkzeugkasten und begannen, die Verkleidung der Rückwand abzuschrauben.
    »Vorsicht«, sagte einer von ihnen plötzlich. Wasmer zog seine Dienstpistole und entsicherte sie. Ein Seitenteil der Rückwand klappte auf.
    Ein grauhaariger Mann in einem zerknitterten Anzug kam mit erhobenen Händen heraus. Er sah elend und verzweifelt aus. Hinter ihm sah Wasmer eine Frau mit einem Kopftuch und einem kleinen Mädchen an der Hand. Die Frau konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten. Neben ihr war ein jüngerer
Mann. Die Hunde wedelten. Ein zweiter jüngerer Mann trat aus dem Versteck. Und dann noch eine Frau und noch ein Kind.
    Scheiße, dachte Wasmer. Was fuchtle ich hier mit einer Knarre herum.
     
    Es ging auf Mitternacht zu. Berndorf hatte nur die Lampe auf seinem Schreibtisch eingeschaltet. Sie verstünden kein Deutsch, sagten die beiden Frauen vor ihm. Sie sagten es immer wieder. Beide waren noch keine 30 Jahre alt, aber selbst im gnädigen Licht der einen Stehlampe sahen sie aus wie 50. Sie besaßen keine Aufenthaltsgenehmigungen, und Olga, die künstliche Blondine, war wegen Beischlafdiebstahls zur Festnahme ausgeschrieben.
    Berndorf schickte Ludmilla hinaus. Dann betrachtete er Olga. Sie versuchte einen koketten Blick. Armes Huhn, dachte Berndorf.
    »Ich weiß, dass Sie mich verstehen«, sagte er langsam. »Sie wissen, dass ich es weiß. Sie wissen auch, dass Sie in den Knast kommen. Vielleicht kann ich Ihnen aber helfen. Wenn Sie mir helfen.« Er reichte ihr das Bild Tiefenbachs über den Schreibtisch.
    Olga betrachtete das Bild. Ihr Gesicht war wieder stumpf und verschlossen. Berndorf hatte den Eindruck, dass sie den Toten wirklich nie gesehen hatte. Es wunderte ihn nicht.
    Tamar kam herein. »Eines der Mädchen hatte tatsächlich einen Flachmann in der Handtasche. Wir wissen nicht, was drin ist. Aber es hat einen Bodensatz. Das Mädchen sagt,

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